Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Schwerbehinderten. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Arbeitnehmer rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung des Insolvenzverwalters Klage beim Arbeitsgericht erhoben und sich auf deren mangelnde soziale Rechtfertigung berufen, kann er sich nach dem Ablauf der Klagefrist auch noch auf weitere Gründe für die Unwirksamkeit, z. B. die fehlende Zustimmung der Hauptfürsorgestelle berufen.

 

Normenkette

SchwbG § 15; InsO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Dessau (Entscheidung vom 01.12.2000; Aktenzeichen 11 Ca 276/99)

 

Tenor

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau vom 1. Dezember 2000 – 11 Ca 276/99 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die Klägerin ist am 21. Dezember 1944 geboren und war seit dem 1. August 1957 bei der Dessauer Geräteindustrie GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Klägerin, deren Grad der Behinderung 30 beträgt, wurde vom zuständigen Arbeitsamt einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Sie arbeitete zuletzt als Lohnbuchhalterin bei einem Bruttomonatsverdienst in Höhe von 5.800,00 DM.

Am 30. März 1999 wurde über das Vermögen der Dessauer Geräteindustrie GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Auf seinen Antrag vom 6. April 1999 hin erteilte die Hauptfürsorgestelle unter dem 28. Mai 1999 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin. Am gleichen Tag übersandte die Hauptfürsorgestelle der damaligen Kanzlei des Beklagten per Telefax das Deckblatt der Entscheidung, wegen dessen Inhalt auf Bl. 244 und 245 d. A. Bezug genommen wird. Die vollständige Entscheidung ging dort erst am 31. Mai 1999 nach 10:00 Uhr ein.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 28. Mai 1999 zum 31. August 1999. Das Kündigungsschreiben wurde der Klägerin am 31. Mai 1999 ausgehändigt.

Mit ihrer am 18. Juni 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung mit der Begründung gewandt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt.

Mit Schriftsatz vom 4. November 1999 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle widersprochen habe und die Kündigung zwingend unwirksam sei, wenn in dem Widerspruchsverfahren zu ihren Gunsten entschieden werde.

Durch Beschluss vom 7. Januar 2000 hat das Arbeitsgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Widerspruchsverfahren ausgesetzt. Am 27. Juli 2000 ist der Widerspruch der Klägerin gegen die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle zurückgewiesen worden. Bereits zuvor hatte sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Mai 2000 darauf berufen, die Kündigung sei bereits deswegen unwirksam, weil ihr die Kündigung bereits vor der förmlichen Zustellung der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle am 31. Mai 1999 gegen 08:15 Uhr ausgehändigt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 28. Mai 1999, zugegangen am 31. Mai 1999, nicht aufgelöst ist,
  2. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lohnbuchhalterin weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Kündigung sei der Klägerin am 31. Mai 1999 erst zwischen 11:00 Uhr und 12:00 Uhr ausgehändigt worden. Im Übrigen sei die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle bereits am 28. Mai 1999 wirksam zugestellt worden. Schließlich habe sich die Klägerin nicht rechtzeitig darauf berufen, dass die Kündigung wegen der fehlenden Zustimmung der Hauptfürsorgestelle unwirksam sei.

Das Arbeitsgerichts hat durch Urteil vom 1. Dezember 2000 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 28. Mai 1999, zugegangen am 31. Mai 1999, nicht aufgelöst ist, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin das Kündigungsschreiben am 31. Mai 1999 zwischen 08:15 und 08:45 Uhr erhalten. Da sie die mangelnde soziale Rechtfertigung der Kündigung rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang geltend gemacht habe, könne sie sich auch noch später auf andere Unwirksamkeitsgründe berufen. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 302 – 311 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 26. Januar 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Februar 2001 eingelegte und am 19. März 2001 begründete Berufung des Beklagten.

Er trägt vor, die Klägerin habe sich bis zum Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist gegenüber der Kündigung auf alle Unwirksamkeitsgründe berufen müssen, um jegliche Verzögerung des Prozesses zu vermeiden, die eine ungerechtfertigte Schlechterstellung der übrigen Insolvenzgläubiger darstelle. Im Übrigen vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen nach näherer Maßgabe seiner Schriftsätze nebst Anlagen...

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