Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 17.08.1995; Aktenzeichen 4 Ca 2158/95)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil desArbG Magdeburg vom17.08.1995 teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die mit Schreiben vom 28.03.1995 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Beklagten aufgelöst worden ist.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer ordentlichen Kündigung, die das beklagte Land wegen früherer Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) sowie wegen unzutreffenden Angaben hierüber ausgesprochen hat.

Der 1945 geborene, geschiedene und 2 Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist Lehrer für Mathematik und Physik. Er war seit 1963 in der ehemaligen DDR als Lehrer bzw. Internatsleiter und Erzieher tätig und ist nach der Übernahme in den Schuldienst des beklagten Landes seit dem 01.08.1991 als Lehrer an einer Sekundarschule mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 5.100,00 DM beschäftigt.

Unter dem 10.04.1991 verneinte der Kläger im Rahmen einer Selbstauskunft anläßlich der Übernahme in den Landesdienst die Frage danach, ob er Mitarbeiter des MfS oder Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) war. Am gleichen Tage versicherte er in einem ihm vorgelegten Bewerbungsbogen „nach bestem Wissen und Gewissen”, daß er „kein Mitarbeiter oder Informant des ehemaligen MfS/AfNS gewesen sei, keine Gelder von dieser Institution erhalten und bewußt auch keine Informationen denunzierenden Charakters zur Verwendung durch das MfS/AfNS gegeben” habe.

Mit Schreiben vom 14.05.1992 bekräftigte der Kläger, sich zu seiner Personalakte und zu seinem Lebenslauf nach bestem Wissen und Gewissen offenbart zu haben. In Zusammenhang mit der Anerkennung von Vordienstzeiten verneinte er erneut, in irgendeiner Form für das MfS/AfNS tätig geworden zu sein.

Am 08.03.1995 erhielt das beklagte Land auf seine Anfrage vom Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes (Gauck-Behörde) Auskunft über den Kläger. Danach war dieser in der Zeit vom 31.08.1976 bis 29.03.1984 als IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit) unter dem Decknamen … aufgrund einer „Schweigeverpflichtung” registriert. In der „Schweigeverpflichtung” hatte sich der Kläger dazu bereit erklärt, mit den Organen des MfS „bei der Lösung ihrer spezifischen Aufgaben” entsprechend seinen Möglichkeiten zusammenzuarbeiten. Unter anderem lieferte der Kläger 33 handschriftliche Berichte unter seinem Decknamen ab. Dabei informierte er über Schüler und Kollegen, Stimmungen und Meinungen. Er erhielt 8 Prämien in einem Gesamtwert von 775,00 Mark. Aus dem vom MfS gefertigten „Schlußbericht zur Einstellung der Zusammenarbeit…” vom 29.02.1984 geht hervor, daß das MfS erstmals im Dezember 1978 mit dem IM eine „ausführliche Aussprache” führen mußte, da er die geplanten Treffs trotz Versprechungen nicht eingehalten habe. Gesundheitliche Probleme, Depressionen und eine „Aufweichung” gegenüber politisch-ideologischen Problemen hätten den IM teilweise in Gleichgültigkeit verfallen lassen. Nach einer vorübergehenden „Stabilisierung der Zusammenarbeit” hätte sich diese mit Beginn des Jahres 1981 erneut verschlechtert; geplante Treffs seien nicht eingehalten worden, die Berichterstattung oberflächlich und von unklarer politischer Grundeinstellung. Nach einer erneuten Aussprache im April 1981 habe sich die Zusammenarbeit vorübergehend wiederum kontinuierlich gestaltet. Der letzte Treff mit dem Führungs-IM. habe im Mai 1982 stattgefunden. Weiteren Treffen sei der Kläger ausgewichen. Im März 1983 sei es zu einer persönlichen Aussprache gekommen, in der der Kläger dargelegt habe, kein Interesse mehr an einer inoffiziellen Zusammenarbeit zu haben. Er habe dies von Anfang an nicht gewollt, sei jedoch durch den Führungs-IM davon überzeugt worden.

Er sehe keinen Sinn mehr in der weiteren IM-Tätigkeit, da doch nichts geändert werden könne. Mit der Informationserarbeitung durch das MfS sei er nicht einverstanden. Die Bürger der DDR seien seit über 30 Jahren zu Duckmäusern erzogen worden. Weiter äußerte der Kläger ausweislich des „Schlußberichtes”, daß er das sozialistische System akzeptiere, nicht jedoch die Tätigkeit des MfS. Dieses sei schuld an einer Vielzahl psychischer Erkrankungen und Ehescheidungen, ebenso an seinem Herzinfarkt Ende 1978. Er informiere sich über die westlichen Massenmedien, versuche jedoch, seine Schüler zu anständigen Bürgern zu erziehen. Er wolle mit dem MfS nichts mehr zu tun haben.

Abschließend bemerkte der Schlußbericht:

„Aufgrund der angeführten Fakten wird aus Sicherheitsgründen vorgeschlagen, die inoffizielle Zusammenarbeit mit dem IMS einzustellen… Durch seine politisch-ideologischen Unklarheiten ist er nicht in der Lage, die Jugendlichen politis...

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