Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung; Prozessvergleich; Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Arbeitnehmer aufgrund eines Prozessvergleichs von der Erbringung der Arbeitsleistung unwiderruflich unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freigestellt, kommt als Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Prozessvergleich der Betrag des während des Freistellungszeitraums zu leistenden Arbeitsentgelts in Betracht. Für die wirtschaftliche Bewertung des Wertes der Freistellung kann nämlich im Zweifel auf die Höhe des arbeitsvertraglich vereinbarten Entgelts für den Zeitraum der Freistellung abgestellt werden. Letztlich maßgebend ist jedoch jeweils die Situation im konkreten Fall.

2. Das Fehlen einer Klausel, mit der auf die Anrechnung von Zwischenverdienst während des Zeitraums der Freistellung auf das fortzuzahlende Arbeitsentgelt durchden Arbeitgeber verzichtet wird, kann die Freistellungsvereinbarung wirtschaftlich wertlos machen.

 

Normenkette

BGB § 779 Abs. 1, § 10 Abs. 1; BRAGO § 23 Abs. 1; ZPO § 3; ArbGG § 12 Abs. 7

 

Beteiligte

Wolfgang Decker

Rechtsanwältin Simona Rössing

Abwasserverband „Bodeniederung”

Verbandsausschuss, dieser vertr. d.d. Verbandsvorsitzenden Herrn Engelhardt

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 03.08.2000; Aktenzeichen 12 Ca 5952/99)

 

Tenor

wird die Beschwerde der Rechtsanwältin Rössing gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29. Mai 2000 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 03. August 2000 – 12 Ca 5952/99 – kostenpflichtig zurückgewiesen. Der Verfahrenswert wird auf 846,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Dem vorliegenden Wertfestsetzungsverfahren liegt ein Kündigungsschutzrechtsstreit zugrunde, der mit einem Prozessvergleich erledigt worden ist. Darin haben die Parteien zugleich festgelegt, dass der Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Erbringung der Arbeitsleistung gegen Zahlung der Vergütungsansprüche freigestellt wird und etwaige Urlaubsansprüche durch die Freistellung abgegolten seien.

Mit dem angefochtenen Wertfestsetzungsbeschluss in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 03. August 2000 ist der Gegenstandswert für den Prozessvergleich auf 32.938,05 DM festgesetzt worden. In diesem Wert ist die im Prozessvergleich erfolgte: Freistellung des Klägers von der Arbeitsleistung mit 25 % des Arbeitsentgelts berücksichtigt worden, das während des gesamten Freistellungszeitraums nach dem geschlossenen Prozessvergleich zu zahlen war. Insoweit ist im angefochtenen Beschluss ausgeführt worden, dass es zwar nicht gerechtfertigt sei, der Freistellungsvereinbarung keinerlei Gegenstandswert zuzubilligen, weil zu beachten sei, dass der Kläger ohne Anrechnung des Verdienstes während dieser Zeit bei einem Dritten seine Arbeitskraft einsetzen könne und ohne Belang sei, ob er überhaupt gesundheitlich in der Lage sei, die Leistung zu erbringen. Ein Abschlag von 75 % sei jedoch sehr wohl gerechtfertigt, weil erkennbar sei, dass die Freistellung keinen mühsam ausgehandelten Vorteil darstelle, sondern diese zu keiner Zeit problematisch gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit der eingelegten Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die volle Anrechnung des während des Freistellungszeitraums fällig gewordenen Arbeitsentgelts auf den Vergleichswert.

II. Die statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Maßgebend ist der wirtschaftliche Wert der Freistellung gem. § 3 ZPO (vgl. a.d. Rechtsprechungsübers. b. Tschöpe, Arbeitsrecht, 2. Aufl., Teil 5 I Rz. 87, im Ergebn.m.erhebl. Meinungsvielfalt). Im Rahmen dieser wirtschaftlichen Bewertung ist jedoch ohne Bedeutung, ob die Freistellung mühsam ausgehandelt werden musste, denn dieser Umstand bleibt für den wirtschaftlichen Wert der dadurch erlangten Leistung ohne Wirkung.

Durch den geschlossenen Prozessvergleich ist die Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung aus der wechselseitigen Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung bei Aufrechterhaltung der Verpflichtung zur Entgeltleistung herausgelöst worden. Wegen der Auflösung dieser synallagmatischen Bindung ist die verselbständigte Leistung, über die vergleichsweise eine Verfügung getroffen worden ist, gesondert nach den Grundsätzen des § 3 ZPO zu bewerten. Soweit die Freistellung von der Arbeitsleistung völlig umfassend erfolgt, der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft am Arbeitsmarkt dadurch gewinnbringend verwertet, ist als Wert der Freistellung im Zweifel das Arbeitsentgelt als wirtschaftlicher Wert i.S.d. § 3 ZPO anzusehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist nämlich davon auszugehen, dass der Marktwert der Arbeitsleistung der Höhe des Arbeitsentgelts für denselben Zeitraum entspricht. Ein solcher Fall liegt der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Entscheidung des Beschwerdegerichts v. 20.09.95 (–1(3) Ta 93/9...

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