Entscheidungsstichwort (Thema)

nachträglicher Zulassung einer Kündigungsschutzklage. Verschuldenszurechnung. Gewerkschaftssekretär. Einzelgewerkschaft. DGB-Rechtsschutz. Abhilfeverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Hinblick auf die besondere Ausgestaltung des Verfahrens nach § 5 KSchG findet das Nichtabhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO keine Anwendung (Bestätigung von LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 07.08.2003 – 11 Ta 205/03).

2. Das Verschulden eines Gewerkschaftssekretärs einer Einzelgewerkschaft ist dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

 

Normenkette

KSchG §§ 4-5; ZPO § 85 Abs. 2, § 572 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Beschluss vom 21.12.2004; Aktenzeichen 2 Ca 3102/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.12.2004 – 2 Ca 3102/04 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A.

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Kündigung des Beklagten vom 29. 07. 2004.

Die vorstehende Kündigung ist dem Kläger am 29. 07. 2004 zugegangen. Die von ihm über seine Prozessbevollmächtigten, die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH – Büro Magdeburg – verfasste Kündigungsschutzklage ist bei dem Arbeitsgericht Magdeburg erst am 16. September 2004 eingegangen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG anhängig gemachte Kündigungsschutzklage sei gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen, da ihn an der Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist kein Verschulden treffe.

Die Versäumung der Klagefrist beruhe – so hat der Kläger behauptet – auf den folgenden Geschehnissen:

Er habe nach Erhalt der Kündigung am 03. 08. 2004 entsprechend der satzungsmäßigen Bestimmungen die Geschäftsstelle des Bezirksverbandes A.-B.-H. der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) in M. aufgesucht, um dort entsprechenden Rechtsschutz für die Einreichung einer Kündigungsschutzklage zu beantragen. Dort habe zunächst die Verwaltungsangestellte S. die persönlichen Daten aufgenommen und diese in den Personalcomputer eingegeben. Weiter sei ein so genannter Rechtsschutzbogen erstellt worden, in dem u. a. das Zugangsdatum der Kündigung vermerkt worden sei. Die Angestellte S. habe sodann – wie üblich – eine Rechtsschutzakte für seinen Fall angelegt und den Kläger darauf hingewiesen, dass die Einzelgewerkschaft IG Bau für den vorliegenden Rechtsstreit die Gerichtskosten und Auslagen für den Fall des Unterliegens in der ersten Instanz übernehme und dass der Rechtsstreit entsprechend der satzungsrechtlichen Bestimmungen durch die DGB Rechtsschutz GmbH geführt werde. Dementsprechend habe der Kläger am 03. 08. 2004 eine Vollmacht für die Rechtssekretäre der DGB Rechtsschutz GmbH unterzeichnet. Die Akte werde daher – so habe die Verwaltungsangestellte S. weiter mitgeteilt – an die DGB Rechtsschutz GmbH weitergeleitet. Von dieser werde der Kläger weitere Informationen erhalten. Im Anschluss daran habe er mit dem zuständigen Gewerkschaftssekretär B. ein kurzes Beratungsgespräch geführt und sodann die Bezirksverbandsgeschäftsstelle verlassen.

Der Gewerkschaftssekretär B. habe die Rechtsschutzakte des Klägers mit einem selbsthaftenden Klebezettel versehen, auf welchem der Auftrag zur sofortigen Weiterreichung der Unterlagen an die DGB Rechtsschutz GmbH, Büro M. vermerkt worden sei. Die mit dem Klebezettel versehene Rechtsschutzakte wie auch weitere Akten seien sodann auf dem Schreibtisch der Verwaltungsangestellten S. deponiert worden, zu deren Aufgabenbereich auch die Weitergabe von Rechtsschutzakten an die DGB Rechtsschutz GmbH gehöre. Wegen des großen Andrangs der Akten auf dem Ablagetisch sei die Rechtsschutzakte des Klägers nicht auf den Stapel „Weiterbearbeitung” gelegt worden, da die Gefahr bestanden habe, sie könne wegen der Stapelhöhe herunterfallen. Im Verlauf des 04. 08. 2004 habe die Verwaltungsangestellte S. im Rahmen der Bearbeitung der umfangreichen auf ihrem Schreibtisch befindlichen Akten dieselben mehrfach umgestapelt. Bei dem Umstapeln der Akten habe sich wohl der Klebezettel mit der Arbeitsanweisung von der Rechtsschutzakte des Klägers gelöst. Die Verwaltungsangestellte S. habe, nachdem sie alle Auftragsakten abgearbeitet hatte, jedenfalls versehentlich die Akte des Klägers in das Hängeregister zurücksortiert, da sie aufgrund einer nicht vorhandenen Arbeitsanweisung in Form des Klebezettels davon ausgegangen sei, die Akte sei bereits am Vortag abschließend bearbeitet worden. Der Gewerkschaftssekretär B. sei, nachdem er am 05. 08. 2004 die Akte nicht mehr im Arbeitsbereich der Angestellten S. vorgefunden habe, wiederum davon ausgegangen, Frau S. habe die Akte auftragsgemäß weitergeleitet.

Erst aufgrund einer telefonischen Sachstandsanfrage des Klägers am 13. 09. 2004 sei der Sachverhalt aufgeklärt worden.

Aus den vorstehenden Geschehnissen lasse sich – so hat der Kläger gemeint – ein Verschulden i. S. d. § 5 KSchG nicht ableiten. Er persönlich habe alles getan, um die ...

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