Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachwirkung einer gekündigten Gesamtbetriebsvereinbarung. Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG umfasst auch verfahrensrechtliche Regelungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass eine Betriebsvereinbarung, die sich auf eine von § 87 Absatz 1 Nummer 10 BetrVG erfasste Regelungsmaterie bezieht, rechtzeitig zustande kommt.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Saarbrücken (Entscheidung vom 08.12.2015; Aktenzeichen 4 BV 22/15)

 

Tenor

1. Hinsichtlich der Anträge, die der Antragsteller in der Beschwerdebegründungsschrift vom 21. März 2016 unter den Ziffern 2 bis 6 angekündigt hatte, wird das Verfahren eingestellt.

2. Auf die Beschwerde des Antragstellers im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 8. Dezember 2015 (4 BV 22/15) abgeändert und festgestellt, dass die mit dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 27. März 2015 gekündigte Gesamtbetriebsvereinbarung "Übergangsvereinbarung erfolgsbezogene variable Vergütungsbestandteile" vom 20. Februar 2014 über den 30. April 2015 hinaus nachwirkt, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird.

3. Die Rechtsbeschwerde wird für die Antragsgegnerin zugelassen, soweit das Beschwerdegericht der Beschwerde des Antragstellers stattgegeben und die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert hat.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung "Übergangsvereinbarung erfolgsbezogene variable Vergütungsbestandteile" vom 20. Februar 2014 über den 30. April 2015 hinaus nachwirkt, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt wird.

Bei der Antragsgegnerin, der I. GmbH, handelt es sich um einen Anbieter für Unternehmenssoftware. Das Unternehmen gehört zu dem I.-Konzern, der in 42 Ländern rund 11.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. In dem Unternehmen der Antragsgegnerin wurde in dem vom 1. Juni 2014 bis zum 30. April 2015 andauernden Geschäftsjahr mit etwa 820 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein Umsatz in Höhe von rund 150 Millionen EUR erwirtschaftet. Das Unternehmen ist in fünf Bereiche unterteilt, nämlich den Vertrieb, die Beratung, den Support, die Software-Entwicklung und sonstige Abteilungen (unter anderem Finanzen, Recht und Personal). In dem vorliegenden Beschlussverfahren geht es um den Bereich Vertrieb. In dem Vertrieb werden Softwarelizenzen verkauft, darüber hinaus werden Wartung und Dienstleistungen in Bezug auf bestimmte Produkte in bestimmten Regionen angeboten.

In den Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer der Antragsgegnerin ist vereinbart, dass diesen ein Zielgehalt zusteht, das aus einem Fixgehalt und einem variablen Teil besteht, wobei der variable Teil der Vergütung davon abhängig ist, in welchem Grad der Arbeitnehmer seine Zielvorgabe erreicht. Dabei beträgt der Anteil der variablen Vergütung in den Arbeitsverträgen bis zu 50 Prozent. Die variable Vergütung wird jeweils geschäftsjahresbezogen aufgrund von Vergütungsplänen und Plan-Rahmenbedingungen ermittelt und ausgezahlt.

Zwischen der Antragsgegnerin und dem früher bestehenden Gesamtbetriebsrat des Unternehmens wurde am 20. Februar 2014 eine Gesamtbetriebsvereinbarung mit der Bezeichnung "Übergangsvereinbarung erfolgsbezogene variable Vergütungsbestandteile" (Blatt 25 bis 28 der Akten) geschlossen. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung hat folgenden Wortlaut:

"Gesamtbetriebsvereinbarung Übergangsvereinbarung erfolgsbezogene variable Vergütungsbestandteile

Zwischen der

I. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer

- nachfolgend: Arbeitgeber -

und

dem Gesamtbetriebsrat der I. GmbH,

- nachfolgend: GBR -

wird nach entsprechender Beschlussfassung des Gesamtbetriebsrats folgende Gesamtbetriebsvereinbarung Übergangsvereinbarung variable Vergütungsbestandteile (§ 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG) - nachfolgend: GBV - geschlossen.

Der Gesamtbetriebsrat handelt beim Abschluss dieser GBV in originärer Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG.

1. Gegenstand und Ziel der Gesamtbetriebsvereinbarung

1.1. Leistungsbezogene variable Vergütungen werden bei der I. GmbH stets geschäftsjahresbezogen (derzeit 01.06. bis 31.05.) auf Basis von ebenfalls jeweils geschäftsjahresbezogen aufzustellenden Vergütungsplänen und Plan-Rahmenbedingungen ermittelt und ausgezahlt. Die Vergütungspläne und Plan-Rahmenbedingungen sind dementsprechend jeweils geschäftsjahresbezogen mit dem GBR zu vereinbaren.

1.2 Gegenstand der vorliegenden GBV sind Übergangsregelungen für den Fall, dass die Grundlagen der leistungsbezogenen variablen Vergütung für ein Geschäftsjahr (Vergütungspläne und Plan-Rahmenbedingungen) erst nach Geschäftsjahresbeginn zwischen dem Arbeitgeber und dem GBR vereinbart werden können. Die vorliegende GBV findet selbstverständlich keine Anwendung, wenn eine bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung über erfolgsorientierte Vergütung auch für nachfolgende Geschäftsjahre fortgilt.

2. Geltungsbereich

2.1 Persönlicher Geltungsbereich

Die Bestimmungen dieser GBV ...

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