Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsanhörung. Betriebsstillegung durch Konkursverwalter. Zur Frage, ob Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden in einer Betriebsversammlung, die unmittelbar nach Konkurseröffnung stattfindet, eine fristverkürzende abschließende Stellungnahme des Betriebsrates i.S. von BAG AP Nr. 47 § 102 BetrVG 1972 darstellen. Kündigung

 

Normenkette

BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 08.02.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1992/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.12.1996; Aktenzeichen 2 AZR 809/95)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 08.02.1995 – 4 Ca 1992/94 – wird, soweit das Urteil den Kläger Mihlan (– 4 Ca 2057/94 Arbeitsgericht Mainz –) betrifft, auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 16.07.1967 geborene Kläger ist seit dem 28.08.1989 als Angestellter im Betrieb der Gemeinschuldnerin beschäftigt gewesen. Der Beklagte war zunächst vorläufiger Vergleichsverwalter und Sequester und wurde mit Wirkung ab dem 30.06.1994, dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, zu deren Konkursverwalter bestellt. Mit dem Schreiben vom 23.06.1994 (Bl. 61 ff d.A.) unterrichteten der Geschäftsführer (Katerbau) der Gemeinschuldnerin und der Beklagte – dieser als vorläufiger Vergleichsverwalter/Sequester den Betriebsrat über beabsichtigte „arbeitsrechtliche Maßnahmen/hier: Massenentlassung gemäß §§ 1, 17, 18 KSchG wegen Betriebsstillegung”; auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen. Soweit es um den Zugang des Schreibens vom 23.06.1994 geht, behauptet der Beklagte, daß das Schreiben dem Betriebsrat am 23.06.1994 gegen 16.00 Uhr zugegangen sei. Unstreitig ist, daß sich der Betriebsratsvorsitzende (Roth) zu dem genannten Zeitpunkt (23.06.1994 gegen 16.00 Uhr) nicht mehr im Betrieb aufhielt, weil er diesen bereits um 15.00 Uhr verlassen hatte. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin existierte ein Betriebsrats fach, das sich im Zimmer der Sekretärin der Geschäftsleitung befand.

Am 27.06.1994 wurde dem Betriebsrat die aus Bl. 21 d.A. ersichtliche Liste zur Verfügung gestellt: „Arbeitnehmer gewerblich/und Angestellte ohne Freistellung für den Monat Juli 1994 …”. Bereits am 06.06.1994 hatte der Betriebsratsvorsitzende die aus Blatt 68 ff d.A. ersichtlichen Personallisten „Angestellte” und „gewerbliche Mitarbeiter” erhalten, die u.a. Angaben über Geburts- und Betriebszugehörigkeitsdaten enthalten

Mit den beiden Schreiben vom 30.06.1994 (Bl. 71 ff d.A.) wandte sich der Beklagte wegen der „Kündigung der Arbeitsverhältnisse” und der „Anzeige von Entlassungen gemäß § 17 KSchG” an das Arbeitsamt Mainz. Wegen der „Mitteilung des Arbeitgebers gemäß § 8 AFG” wandte sich der Beklagte – ebenfalls mit Schreiben vom 30.06.1994 (Bl. 75 ff d.A.) – an das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz/Saarland. Am 01.07.1994, ab 11.00 Uhr, fand eine Betriebsversammlung der Belegschaft der Gemeinschuldnerin statt. Den Vorsitz der Versammlung führte der Betriebsratsvorsitzende Roth. Während der Versammlung ergriffen der Betriebsratsvorsitzende, der Beklagte sowie Vertreter der IG-Metall und des Arbeitsamtes das Wort. Gegen Ende der Betriebsversammlung, etwa um 12.30 Uhr, händigte der Beklagte den Arbeitnehmern die bereits vorbereiteten Kündigungsschreiben aus. Dem Kläger wurde zum 30.09.1994 gekündigt; im Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

„Der Betriebsrat wurde in dieser Angelegenheit angehört und hat keine Stellungnahme abgegeben” (s. S. 2 des Kündigungsschreibens, Bl. 5 f d.A.).

Den insgesamt 94 Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin wurde im einzelnen wie folgt gekündigt:

  • 8 Arbeitnehmern zum 15.07.1994,
  • 23 Arbeitnehmern zum 31.07.1994,
  • 1 Arbeitnehmer zum 31.08.1994,
  • 24 Arbeitnehmern zum 30.09.1994,
  • 1 Arbeitnehmer zum 30.11.1994 und
  • 37 Arbeitnehmern zum 31.12.1994.

In dem Bescheid des Arbeitsamtes Mainz vom 05.08.1994 (Bl. 78 f d.A.) heißt es u.a. unter Ziffer 4.:

„Für die bis zum 30.09.1994 vorgesehenen Entlassungen von 24 Arbeitnehmern wird die gesetzliche Sperrfrist gemäß § 18 Abs. 2 KSchG bis einschließlich 25.09.1994 verlängert”.

Und dann weiter:

„Nach dieser Entscheidung umfaßt die Freifrist im Sinne des § 18 Abs. 4 KSchG die Zeit vom 26.08.1994 bis einschließlich 25.09.1994 für die Nummern 2 und 3 und für Nummer 4 die Zeit vom 26.09.1994 bis einschließlich 25.10.1994. Während dieses Zeitraumes sind die … vorgesehenen Entlassungen im angezeigten Umfange zulässig …”.

Im August 1994 vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat den aus Blatt 56 ff d.A. ersichtlichen Sozialplan.

Am 29.07.1994 wurde dem Beklagten die Kündigungsschutzklage zugestellt, die der Kläger am 19.07.1994 bei dem Arbeitsgericht eingereicht hatte.

Zwecks näherer Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Klageschrift und den Schriftsatz des Klägers vom 15.11.1994 (Bl. 24 f d.A.) sowie auf die Klageerwiderung des Beklagten vom 31.10.1994 (Bl. 14 ff d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat das Ve...

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