Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung bei Betriebsstillegung unter Abarbeitung laufender Aufträge. Abfindungsanspruch aus arbeitsvertraglicher Zusage als Insolvenzforderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt der Insolvenzverwalter keine neuen Aufträge mehr an, kündigt er die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer und beschränkt er sich darauf, nur noch die vorhandenen Aufträge während der Kündigungsfrist abzuarbeiten, können dies gewichtige Anhaltspunkte für eine tatsächlich getroffene Stilllegungsentscheidung sein.

2. Ein Abfindungsanspruch stellt grundsätzlich einen Ausgleich für durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehende Nachteile und/oder eine Honorierung der Zustimmung des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Vertragsauflösung dar und keine Gegenleistung für anteilig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistete Dienste. Daher handelt es sich dann auch nicht um eine Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

 

Normenkette

InsO § 55; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3; InsO §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, § 108 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 2 S. 4; BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2, § 113; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 20.03.2014; Aktenzeichen 2 Ca 3546/13)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.03.2014 - 2 Ca 3546/13 - abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung des Beklagten als Insolvenzverwalter sowie hilfsweise über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung.

Die am 1968 geborene Klägerin wurde zum 1. August 1984 in den Betrieb der C. GmbH (zukünftig: Schuldnerin) als Mitarbeiterin im Innendienst eingestellt. Die Schuldnerin befasste sich mit der Durchführung von Straßen- und Tiefbauarbeiten vornehmlich für öffentliche Auftraggeber.

Die Klägerin bezog zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 4.061,74 EUR (Lohn- und Gehaltsabrechnung für Dezember 2012, Bl. 4 d. A.). Am 11. Mai 2010 wurde der Klägerin folgende weitere Zusage (Bl. 28 d. A.) erteilt:

"Ergänzung zum Anstellungsvertrag zwischen der Firma C. GmbH und Frau A.

Für den Fall, dass die C. GmbH, ..., einmal das Arbeitsverhältnis mit Frau A. kündigen sollte, erhält Frau A. eine Abfindung in Höhe von 0,75 Monatsgehältern pro Jahr Beschäftigungsdauer.

Dadurch sollen einerseits die bisherigen Leistungen von Frau A. für die C. GmbH gewürdigt werden, andererseits soll diese Vereinbarung vor allem auch Motivation für weitere sehr gute Leistungen in der Zukunft bis zu einem eventuellen Ausscheiden von Frau A. sein."

Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 11. Juni 2013 wurde unter demselben Datum das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin mit Bestellung des Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde infolge des Sachverständigengutachtens des Beklagten vom 23. August 2013 mit Beschluss vom 2. September 2013 (Bl. 5 d. A) eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens wurde der Betrieb mit 40 Mitarbeitern, 25 davon gewerblich, 15 kaufmännisch, einstweilen fortgeführt. Durch die Fertigstellung von Aufträgen sollten Einnahmen generiert werden. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung lag die Beschäftigtenzahl noch bei 27 Mitarbeitern, davon 14 kaufmännischen und 13 gewerblichen Arbeitnehmern.

Mit Schreiben vom 5. September 2013 (Bl. 6 f. d. A.), zugegangen am 7. September 2013, kündigte der Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2013, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Unter dem 20. September 2013 berichtete der Beklagte gegenüber dem Insolvenzgericht anlässlich der Gläubigerversammlung u.a. wie folgt:

"Die Bilanz auf den 31. Dezember 2011 weist erstmals einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 629.803,09 € aus.

...Begründet wurde dies mit dem schlechten Geschäftsverlauf des Berichtsjahrs und der schwierigen Zukunftsperspektive, aufgrund welcher die Geschäftsführung nicht von einer Fortführung ausgehe.

... Dieser Umsatzrückgang wiederum beruht auf der ungeklärten Nachfolgeregelung im Unternehmen. Der Geschäftsführer H. C. ist mittlerweile 72 Jahre alt.

... Auch ist die mangelnde Akquisetätigkeit aufgrund der geringen Anwesenheitszeiten des Geschäftsführers im Unternehmen ein Grund für die Umsatzrückgänge. Fast alle öffentlichen Auftraggeber gaben unisono an, dass grundsätzlich die Bereitschaft zu einer weiteren Zusammenarbeit aufgrund der guten Qualität der gelieferten Arbeiten der Schuldnerin bestehe, man sei aber aufgrund der ungeklärten Nachfolgeregelungen in der letzten Zeit etwas zurückhaltender mit der Auftragserteilung umgegangen.

Zwei Versuche einen Nachfolger zu finden sollen nach Angaben des Geschäftsführers gescheitert sein. ... Er hat mir gegenüber angegeben, dass diese beiden Vorfälle sein Vertrauen...

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