Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame betriebsbedingte Kündigung bei fehlerhafter Unterrichtung des Betriebsrats nach Betriebsstilllegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch wenn die Amtszeit des Betriebsrats wegen einer Betriebsstilllegung endet, bleibt der Betriebsrat gemäß § 21b BetrVG so lange im Amt, wie das zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht erforderlich ist; auch nach erfolgter Betriebsstilllegung ist der Betriebsrat vor jedem Kündigungsausspruch nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu hören.

2. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat die ihm bekannte Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmerin objektiv fehlerhaft mit und wirkt sich die fehlerhaft mitgeteilte Betriebszugehörigkeit sowohl auf die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes als auch auf die Kündigungsfrist und den Kündigungstermin aus, wird der Betriebsrat nicht in die Lage versetzt, sich in sachgerechter Weise zu der beabsichtigten Kündigung zu äußern; die Kündigung ist daher wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

 

Normenkette

BetrVG §§ 102, 21b, 102 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 31.01.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1143/12)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 31. Januar 2013 - 3 Ca 1143/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Die Klägerin war seit 12. Juli 2004 bei der Firma Z. e. K. beschäftigt. Bei der Firma Z. e. K. sind von deren Arbeitnehmern auf der Grundlage eines nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG abgeschlossenen Tarifvertrages vom 7. April 1995 Betriebsräte in den darin festgelegten Betriebsratsbezirken gewählt worden, die Mitglieder in den errichteten Gesamtbetriebsrat nach Maßgabe der Gesamtbetriebsvereinbarung "Mitgliederzahl und Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates (GBR) sowie die Entsendung der GBR-Mitglieder" vom 21. November 2000 nebst der Ergänzung vom 30. April 2002 entsandt haben. Die Klägerin war dem Betriebsratsbezirk Y.-Stadt zugeordnet, in dem ein Betriebsrat gebildet war.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: XXXXX) wurde über das Vermögen des Z., Inhaber der Firma Z. e. K., das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Az.: 00000) wurde über das Vermögen der zum Z.-Konzern gehörenden Z.x. GmbH ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zum Insolvenzverwalter bestellt.

In der im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Z. abgehaltenen Gläubigerversammlung vom 05. Juni 2012 wurde die vom Beklagten getroffene Entscheidung zur Betriebsstilllegung bestätigt. Der aufgrund der beschlossenen Betriebsstilllegung durchgeführte Abverkauf wurde bei der Firma Z. e. K. am 27. Juni 2012 beendet.

Am 28. Juni 2012 schlossen der Beklagte und der Insolvenzverwalter der Firma Z.x. GmbH mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"Präambel

Mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28.03.2012 wurde über die Vermögen der Firma Z. e. K. und der Z.x. GmbH die Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Wirtschaftsprüfer A. und Herr Wirtschaftsprüfer V. U. zu Insolvenzverwaltern bestellt.

Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 28.03.2012 sind als Anlage 1 Bestandteil dieses Interessenausgleichs.

§ 1

Geltungsbereich

Räumlicher Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer der Firmen Z. e. K. und Z.x. GmbH.

(...)

§ 2

Informationen

Dem GBR beziehungsweise dessen Vertretern wurden Informationen über die wirtschaftliche Situation der Z. e. K. gegeben. Insbesondere erhielt der GBR Vermögensübersichten sowie Listen derjenigen Filialen beziehungsweise Betriebe (Stand 25.06.2012), für die eventuell Interessenten vorhanden sind. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z. e. K. durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 30.06.2012 hinaus nicht möglich ist.

Der Insolvenzverwalter hat die Stilllegung der Firma Z.x. GmbH, vorbehaltlich der Zustimmung des Gläubigerausschusses, zum 31.07.2012 beschlossen. Der GBR wurde durch den Insolvenzverwalter darüber informiert, dass eine Übernahme der Firma Z.x. GmbH durch einen Investor gescheitert ist und mangels Warenversorgung eine Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter über den 31.07.2012 hinaus nicht möglich ist.

Die Insolvenzverwalter werden auch nach Abschluss des Interessenausgleiches den GBR beziehungsweise dessen Vertreter über den jeweils aktuellen Stand der Interessenten, mindestens 14-tägig (erstmals zum 11.07.2012) unterrichten.

§ 3

Regelungsgegenstand / Betriebsänderung

(unternehmerische Entscheidung)

Die unternehmerischen ...

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