Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgemäßer Widerspruch des Personalrates. Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Annahmeverzug. Vergleich. Forderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für einen ordnungsgemäßen Widerspruch des Personalrates (bzw. Betriebsrates) gemäß § 79 Abs. 1 BPersVG (§ 102 Abs. 3 BetrVG) ist grundsätzlich nur erforderlich, daß die vom Personalrat angeführten Tatsachen es für möglich erscheinen lassen, daß einer der Widerspruchsgründe des § 79 Abs. 1 Satz 3 BPersVG (§ 102 Abs. 3 BetrVG) vorliegt. Im Rahmen des Widerspruchsgrundes des § 79 Abs. 1 Satz 3 BPersVG (§ 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG) genügt es in erweiternder Auslegung dieser Norm auch, daß der Personalrat vorträgt, der gekündigte Arbeitnehmer könne an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden, weil dann die Kündigung per se nicht betriebsbedingt sozial gerechtfertigt sein kann.

2) Der durch § 79 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, 79 Abs. 2 Satz 1 BPersVG begründete Weiterbeschäftigungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers wird durch Art. 56 Abs. 1 c, 56 Abs. 8 ZA-Nato-Truppenstatut (juris: NATOTrStatZAbk) nur insoweit ausgeschlossen, als kein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung besteht. Ein entsprechender Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug bleibt jedoch bestehen.

3) Die vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum in der Kündigung genannten Zeitpunkt schließt den Anspruch auf Annahmeverzugslohn für den Zeitraum des Weiterbeschäftigungsanspruches nur dann aus, wenn die Parteien dies erkennbar geregelt haben. Denn der Vergütungsanspruch im Weiterbeschäftigungszeitraum ist unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung.

Erforderlich zum Ausschluß des Annahmeverzugsanspruches ist daher, entweder eine diesbezüglich konkrete Regelung oder zumindest die Vereinbarung einer allgemeinen Ausschlußklausel im Vergleich.

 

Normenkette

BGB § 615; BPersVG § 79; ZA-Nato-Truppenstatut Art. 56

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 18.05.1995; Aktenzeichen 2 (3) Ca 2413/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.02.1997; Aktenzeichen 2 AZR 361/96)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 18.05.1995 – 2 (3) Ca 2413/94 abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.396,57 DM (brutto) abzüglich 8.053,50 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 4.128,00 DM brutto abzüglich 1.911,00 DM netto ergebenden Nettobetrag für die Zeit vom 01. bis 30.11.1994,

    4 % Zinsen aus dem sich aus 8.256,00 DM brutto abzüglich 3.822,00 DM netto ergebenden Nettobetrag für die Zeit vom 01. bis 31.12.1994,

    4 % Zinsen aus dem sich aus 12.384,00 DM brutto abzüglich 5.733,00 DM ergebenden Nettobetrag für die Zeit vom 01. bis zum 28.02.1995 sowie

    4 % Zinsen aus dem sich aus 17.396,57 DM abzüglich 8.053,50 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 01.03.1995

    zu zahlen.

  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3. Das Rechtsmittel der Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug wegen tatsächlicher Nichtbeschäftigung verlangen kann.

Der am 10.11.1953 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei unterhaltspflichtige Kinder. Er war seit dem 20.04.1976 bei den … beschäftigt. Zuletzt arbeitete der Kläger als Elektronik-Inspektor in der … in Kaiserslautern.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TVAL II Anwendung. In der D. sind mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt.

Der Kläger war in die tarifliche Vergütungsgruppe C–5 a–7 eingestuft und hat zuletzt ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 4.128,00 DM brutto bezogen.

Die … haben das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.03.1994 zum 30.09.1994 aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Der gegen diese Kündigung durch den Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern durch Urteil vom 29.09.1994 (2 Ca 712/94) stattgegeben. Nachdem die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern Berufung eingelegt hatte, haben die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.1995 (11 Sa 1170/94) einen Vergleich mit folgendem Inhalt abgeschlossen:

  1. „Die Parteien sind sich darüber einig, daß das zwischen dem Kläger und den … bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 18.03.1994 am 30.09.1994 sein Ende gefunden hat.
  2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger entsprechend der §§ 9, 10 KSchG für den Verlust seines sozialen Besitzstandes eine Abfindung zu zahlen, die sich zusammensetzt aus dem dem Kläger tarifvertraglich zustehenden Anspruch (TVZLT) und einem weiteren Abfindungsbetrag in Höhe – von drei Bruttomonatsgehältern = 12.384,00 DM.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts.
  4. Der Beklagten...

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