Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines LKW-Fahrers wegen Täuschung des Arbeitgebers über geleistete Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es stellt eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, wenn ein LKW-Fahrer auf die überdurchschnittlich lange Dauer für die Erledigung eines Arbeitsauftrages angesprochen wahrheitswidrig vortäuscht, er habe in einem Stau gestanden bzw. Staplerarbeiten durchgeführt.

2. Gleichwohl ist es dem Arbeitgeber zumutbar, bei einem Lebensalter des Arbeitnehmers von fast 56 Jahren und einer Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (hier: sechs Monate) fortzusetzen.

3. Jedoch ist eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wirksam, da sie durch verhaltensbedingte Gründe i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt und daher sozial gerechtfertigt ist.

4. Der Arbeitgeber war auch nicht gehalten, den Arbeitnehmer zunächst abzumahnen, da es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelte, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen war.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 05.08.2015; Aktenzeichen 3 Ca 2262/14)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 5.8.2015 - 3 Ca 2262/14 - werden zurückgewiesen.

  • II.

    Der Kläger hat 58 % und die Beklagte 42 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 75 % dem Kläger und zu 25 % der Beklagten auferlegt.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Darüber hinaus begehrt der Kläger von der Beklagten die Entfernung von Abmahnungen aus seiner Personalakte.

Der am 06.01.1959 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 04.08.1997 beschäftigt, wobei er überwiegend die Tätigkeit eines Lkw-Fahrers ausübte.

Unter dem Datum vom 12.06.2012 erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen. Eine weitere Abmahnung erteilte sie ihm mit Schreiben vom 12.12.2014. Wegen des Inhalts dieser Abmahnungen wird auf Bl. 31 bis 34 d. A. sowie auf Bl. 37 f. d. A. Bezug genommen.

Nach Aushändigung des Abmahnungsschreibens vom 12.12.2014 fand zwischen den Geschäftsführern der Beklagten, ihrem Prokuristen und dem Kläger ein Gespräch statt. Gegenstand dieses Gesprächs war die vom Kläger am Vortrag, dem 11.12.2014 erbrachte Arbeitszeit. Der Kläger hatte an dem betreffenden Tag den Auftrag ausgeführt, bei der B. bestimmte Teile abzuholen und mit dem Lkw zur Beklagten zu transportieren. Der Kläger benötigte hierfür den Zeitraum von 7.30 Uhr bis 11.00 Uhr, also insgesamt ca. 3 1/2 Stunden. Aus den Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers ergibt sich, dass das vom Kläger geführte Fahrzeug von ca. 8.15 Uhr bis 10.35 Uhr stand. Als der Kläger am 12.12.2014 auf die von ihm benötigte Zeit für die Durchführung des betreffenden Auftrages, für den die Beklagte rund 1 1/2 Stunden veranschlagt hatte, angesprochen wurde, gab er zunächst an, er habe im Stau gestanden. Nachdem ihm daraufhin der Fahrtenschreiber vorgelegt wurde, erklärte er, er habe noch Staplerarbeiten vor Ort durchführen müssen. Sodann wurde ihm vorgehalten, dass die Vorbereitung der Fracht bereits am 10.12.2014 erfolgt sei, als der Kläger zur Vorbesprechung und Einteilung der Fahrten bei der B. gewesen sei. Daraufhin räumte der Kläger ein, dass er seine Frühstückspause von 15 Minuten auf etwa 45 Minuten ausgeweitet habe.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.12.2014 sowohl "außerordentlich und mit sofortiger Wirkung" als auch vorsorglich ordentlich zum nächst möglichen Termin.

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 17.12.2014 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage. Mit klageerweiternden Schriftsatz vom 27.02.2016 hat der Kläger die Beklagte auf Entfernung der ihm erteilten Abmahnungen aus der Personalakte in Anspruch genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 05.08.2015 (Bl. 88 bis 95 d. A.).

Der Kläger hat beantragt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2014 nicht zum 12.12.2014 beendet wurde.
  2. Für den Fall des Obsiegens zu Ziffer 1:

    Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses als Fahrer weiter zu beschäftigen bzw. zu beschäftigen.

  3. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 12.06.2012 und 12.12.2014 zu widerrufen und aus der Personalakte zu ent...

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