Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung. nachwirkende Fürsorgepflicht des Ausgangsgerichts bei das Berufungsverfahren betreffenden Eingaben. Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

Die nachwirkende Fürsorgepflicht des erstinstanzlichen Gerichts, ein das Rechtsmittelverfahren betreffendes Gesuch (hier: Antrag auf Wiedereinsetzung der Berufungsbegründungsfrist), sachgerecht zu behandeln, gebietet nur die Weiterleitung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang. Ginge danach der Antrag noch rechtzeitig beim Berufungsgericht ein, kann selbst bei vom Rechtsanwalt verschuldeter fehlerhafter Adressierung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen.

Eine Verpflichtung des Ausgangsgerichts, am letzten Tag der Frist durch Telefax oder Telefonanruf den Rechtsanwalt auf seine fehlerhafte Eingabe hinzuweisen, bestehen demgegenüber nicht.

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Urteil vom 13.02.1996; Aktenzeichen 2 Ca 1827/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.08.1997; Aktenzeichen 2 AZR 9/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Trier vom 13.02.1996 – 2 Ca 1827/96 – wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte und die F., deren Gesellschafter der Kläger ist, betrieben jeweils Unternehmen, die die Produktion und den Vertrieb von Fertiggerichten zum Gegenstand haben. Die Beklagte und die Firma R. KG schlossen am 29.05.1995 eine privatschriftliche Vereinbarung mit dem Ziel eines Betriebserwerbes. Ab 01.06.1995 wurde der Betrieb aufgrund dieser Vereinbarung durch die Beklagte geführt. Die Firma R. KG blieb als rechtlich selbständige Handelsgesellschaft bestehen, mit Wirkung vom 01.06.1995 wurde der Kläger als Verkaufsleiter bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.800,– DM eingestellt. Am 17.10.1995, nach dem die Beklagte sich mittlerweile auf die Formunwirksamkeit der der Veräußerung zugrunde liegenden Vereinbarung berufen hatte, diese Vereinbarung sah einen Mietverkaufvertrag für ein Grundstück vor, übergab die Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern ein Schreiben, in denen sie ihnen mitteilte, der Unternehmensverkauf habe sich zerschlagen, sie habe die Führung des Betriebes mit sofortiger Wirkung wieder in die Hände der Firma R. KG gelegt. Gegenüber dem Kläger vertrat die Beklagte die Auffassung, in Folge der Nichtigkeit der der Übertragung zugrunde liegenden Vereinbarung sei auch der Arbeitsvertrag unwirksam. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben, er hat weiter auf Zahlung von Gewinnanteilen geklagt.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 13.02.1996 wurde die Klage des Klägers abgewiesen, ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und der Wert des Streitgegenstandes auf 23.400,– DM festgesetzt.

Das Urteil wurde dem Kläger am 21.03.1996 zugestellt. Die Zustellung bescheinigte der damalige Prozeßbevollmächtigte, ansässig in Trier. Am 04.04.1996 zeigte der jetzige Prozeßbevollmächtigte die Bevollmächtigung des Klägers an, nahm Akteneinsicht und legte am 16.04.1996 mit zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz gerichtetem Schriftsatz Berufung ein. Am 15.05.1996 um 14.14 Uhr, ausgehändigt am 14.40 Uhr ging beim Arbeitsgericht Trier ein an dieses Gericht gesandtes Telefax mit der Anschrift des Arbeitsgerichts Trier ein. Es hat folgenden Wortlaut:

„2 Ca 1827/95

In Sachen

V.

gegen

L.

beantragen

wir hiermit, die am 16.04.1996 ablaufende Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich

Donnerstag, den 23.05.1996

zu verlängern.

Wir müssen in dieser Angelegenheit nochmals Rücksprache mit unserem Mandanten halten, was aber erst im Verlauf der nächsten Kalenderwoche möglich sein wird.

Wir bitten daher, antragsgemäß zu entscheiden.”

Der Schriftsatz, der vorab mittels Fernkopie übermittelt worden war, ging am 17.05.1996 beim Arbeitsgericht ein. Der Schriftsatz ist unterzeichnet vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers und einem R. Die Vorsitzende der 2. Kammer des Arbeitsgerichts T. vermerkte mit Verfügung vom 20.05.1995, daß das Fax erst am 17.05.1995 vorgelegt worden sei, verfügte eine Mitteilung an den Klägervertreter, daß für eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ausschließlich das Landesarbeitsgericht in Mainz zuständig sei und schickte mit Eilvermerk das Telefax und den Schriftsatz zum Landesarbeitsgericht. Ausweislich des Erledigungsvermerkes ist diese Verfügung am 20.05.1995 ausgeführt worden. Beim Landesarbeitsgericht ging der Antrag auf Verlängerung am 22.05.1996 ein. Mit Schreiben vom 23.05.1996 wies das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß innerhalb der gesetzlichen Frist die Berufung nicht begründet wurde. Mit Beschluß vom 23.05.1996 wurde gleichzeitig dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht entsprochen, da er erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht einging. Mit am 23.05.1996 eingegangenem Schriftsatz, übermittelt per Telefax, begründete der Kläger seine Berufung und mit am 31.05.1996 eingegangenem Telefax beantragte er gegen die Versäumung der Berufungsbegründ...

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