Entscheidungsstichwort (Thema)

Besitzstandszulage. Diskriminierungsverbot. Gleichbehandlung. Gleichheitssatz. Deutsche Post AG –

 

Leitsatz (amtlich)

S. Bl. 2.

1. Besitzstandszulagen nach §§ 23–25 gem. Entgelttarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Post AG (ETV-Arb) können Arbeiter nicht beanspruchen, „die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG standen und stehen”. Der ETV-Arb hat die zuvor für die Arbeiter der Deutschen Bundespost geltenden Entgelttarifverträge abgelöst; dass er eine Entgelt ab Senkung mit sich brachte, kann nach dem Ablösungsprinzip nicht beanstandet werden.

2. Dass diejenigen Arbeitnehmer, die bei Inkrafttreten des ETV-Arb am 01.01.2001 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG standen, keine Besitzstandszulagen nach §§ 24, 25 ETV-Arb beanspruchen können, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Es liegt kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4, II TzBfG vor. Dieses Diskriminierungsverbot richtet sich zwar auch an die Tarifpartner. Auch ihnen ist eine Benachteiligung der Tarif unterworfenen wegen der Befristung durch diese Bestimmung untersagt. Dass damit ihre Gestaltungsmöglichkeiten beschränkt werden, bedeutet keinen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit nach Art. 9, III GG. Art. 9, III GG garantiert den Tarifpartnern eine Regelungsbefugnis lediglich innerhalb der Grenzen zwingenden Gesetzes – oder gesetzesvertretenden Richterrechts.

Der Ausschluss der Besitzstandszulagen für am Stichtag befristet beschäftigte Arbeitnehmer ist jedoch sachlich gerechtfertigt und verstößt deshalb nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 4, II EzBfG. Die sachliche Rechtfertigung ergibt sich daraus, dass der Tarifvertrag auf eine Eckpunktevereinbarung der Tarifpartner vom 21.03.2000 zurückgeht, in der die Deutsche Post AG auf betriebsbedingte Kündigungen sowie auf die Fremdvergabe von Zustellbezirken verzichtet und außerdem die Einstellung von 1.200 Vollzeitkräften zugesagt hat, wobei die befristet Beschäftigten mit Vorrang zu berücksichtigen waren und in unbefristete Arbeitsverhältnisse übergeführt werden sollten. Die befristet Beschäftigten erhielten damit einen Vorteil, der ihre Herausnahme aus der Vergünstigung der Besitzstandsregelungen sachlich rechtfertigt.

3. Bei der Frage, ob ein sachlicher Grund für die Differenzierung im Sinne des § 4, II TVG vorliegt, ist auch die umfassende Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner zu berücksichtigen, die ihnen durch Art. 9, III GG garantiert wird. Eine vom Kläger angestrebte Korrektur des § 23 ETV-ARbG würde einen schwerwiegenden Eingriff in die Eckpunktevereinbarung vom 21.03.2000 und die in der Folge auf deren Grundlage geschlossenen Tarifverträge darstellen. Das Gericht würde damit nicht nur einzelne Punkte einer tariflichen Regelung für unwirksam erklären, sondern in einem Gesamtkomplex tariflicher Regelungen schwerwiegend eingreifen und damit die Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner empfindlich stören. Dies ist mit den Rechten der Tarifpartner aus Art. 9, III GG nicht vereinbar. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die materiellen Verluste, die die befristet Beschäftigten durch die Regelung des § 23 ETV-Arb erleiden, auf gewogen werden durch die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

4. Die Regelung des § 23 ETV-Arb, die am maßgeblichen Stichtag befristet Beschäftigten von der Gewährung von Besitzstandszulagen auszuschließen, ist sachlich gerechtfertigt; sie stellt deshalb auch keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder den Gleichheitssatz des Art. 3 GG dar.

 

Normenkette

TzBfG § 4; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 12.04.2002; Aktenzeichen 1 Ca 2052/01)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 19.01.2005; Aktenzeichen 6 AZR 80/03)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Aktz.: 1 Ca 2052/01 – vom 12.04.02 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

  1. Die Klage abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um vom Kläger geltend gemachte Ansprüche auf Besitzstandszulagen nach §§ 23 -- 25 des Entgelttarifvertrages für die Arbeiter der D P AG (ETV-Arb), der ab 01.01.2001 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Dieser Tarifvertrag löste die früher für die Arbeiter der D P AG geltenden Tarifverträge ab und brachte eine Entgeltabsenkung mit sich, die "für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur D P AG standen und stehen", durch eine Besitzstandsregelung ausgeglichen wurde, die in den maßgeblichen Passagen folgenden Wortlaut hat:

Fünfter Teil: Besitz- und Rechtsstandsregelungen

§ 23

Geltungsbereich für § 24 und § 25

Für Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur D P AG standen und stehen, finden die Regelun...

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