Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen des erstinstanzlichen Obsiegens des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess erstinstanzlich obsiegt, so hat er grundsätzlich gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens.

2. Dieser Anspruch entfällt, wenn der Arbeitgeber nach dem der Klage stattgebenden Urteil eine weitere, auf einen neuen Lebenssachverhalt gegründete und nicht offensichtlich unwirksame Kündigung ausspricht.

 

Normenkette

BGB § 611; GG Art. 1, 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 26.01.2016; Aktenzeichen 10 Ca 2942/15)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.1.2016 - 10 Ca 2942/15 - wie folgt abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  • II.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.06.2011 beschäftigt und als Geschäftsführer einer in der Ukraine ansässigen Tochtergesellschaft der Beklagten eingesetzt. Nachdem die Gesellschafterversammlung dieser Tochtergesellschaft am 21.10.2013 den Beschluss gefasst hatte, den Kläger zum 22.10.2013 als Generaldirektor abzuberufen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2014. Der gegen diese Kündigung erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 13.11.2014 (AZ: 10 Ca 4121/13) stattgegeben. Die von der Beklagten hiergegen eingelegt Berufung blieb erfolglos (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 19.08.2015 - 4 Sa 709/14 -). Die von der Beklagten eingelegte Revision ist derzeit beim BAG anhängig (AZ: 2 AZR 39/16).

Der Kläger hat beantragt,

ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits, Arbeitsgericht Koblenz, Az.: 10 Ca 4121/13, Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 4 Sa 709/14, zu unveränderten Bedingungen auf Grundlage des Arbeitsvertrages der Parteien vom 10.05.2011 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Stelle des Klägers als Geschäftsführer ihrer ukrainischen Tochtergesellschaft sei bereits seit dem 23.10.2013 neu besetzt und daher nicht mehr frei. Im Übrigen sei der Klageanspruch auch verwirkt, da der Kläger im seinerzeitigen Kündigungsschutzverfahren keinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt und sie - die Beklagte - sich vor diesem Hintergrund darauf eingerichtet habe, dass er keine Weiterbeschäftigung mehr verlange.

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.01.2016 (Bl. 100 - 102 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26.01.2016 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 10 dieses Urteils (= Bl. 102 - 108 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 04.02.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.03.2016 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 04.04.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.05.2016 begründet.

Die Beklagte hat - zunächst - im Wesentlichen geltend gemacht, die Klage sei bereits unzulässig, da der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie - die Beklagte - das einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehende Hindernis (Neubesetzung der Position des Geschäftsführers in ihrer ukrainischen Tochtergesellschaft) nicht in treuwidriger Weise herbeigeführt. Jedenfalls sei der vom Kläger geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch - wie bereits erstinstanzlich dargetan - verwirkt.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Während des Berufungsverfahrens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04.08.2016 (erneut) fristlos sowie vorsorglich ordentlich zum 28.02.2017. Diese Kündigung stützt die Beklagte auf den Vorwurf, der Kläger habe unter Verstoß gegen seine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht interne Informationen und Unterlagen an die Presse geleitet. Der Kläger hat auch gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben; das Verfahren ist derzeit noch in erster Instanz (Arbeitsgericht Koblenz - 10 Ca 2683/16 -) anhängig.

Die Beklagte macht geltend, der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers sei durch Ausspruch der Kündigung vom 04.08.2016 entfallen.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt...

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