Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein eigenständiger Kündigungsgrund. Soziale Rechtfertigung. Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das mit der Einnahme der Arbeitgeberstellung durch den Insolvenzverwalter einhergehende Kündigungsrecht ist nicht von der Zustimmung der Gläubigerversammlung abhängig.

2. Die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 1 InsO zur Kündigung in der Insolvenz beinhaltet keinen eigenständigen Kündigungsgrund. Der Insolvenzverwalter ist nicht von den Beschränkungen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG entbunden.

 

Normenkette

InsO § 113 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 1; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 17.06.2003; Aktenzeichen 9 Ca 3222/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 17.06.03 – Az.: 9 Ca 3222/02 – wird kostenfällig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Kündigung des Beklagten, die er als Insolvenzverwalter des Modehauses V am 26.09.03 zum 31.12.02 ausgesprochen hat.

Die Klägerin war seit 1991 als Verkäuferin in der Filiale M. der Firma Modehaus V gegen ein Gehalt 1.470,00 EUR im Monat beschäftigt. Am 31.08.02 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er kündigte ihr das Arbeitsverhältnis am 26.09.02 zum 31.12.02, nachdem er sich zur Schließung der Filialen M. und B. entschlossen hatte. Am 30.09.02 hat auch die Gläubigerversammlung die Schließung dieser Filialen beschlossen.

Tatsächlich wurde die Filiale M. bis 18.01.03 noch betrieben; die tatsächliche Schließung erfolgt zum 31.01.03.

Bereits am 12.09.02 und am 23.09.02 hatte der Beklagte die Mietverhältnisse über die Geschäftsräume in M. und B. gekündigt.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat er keine Einkäufe mehr für die Filialen M. und B. getätigt.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. 09.2003 nicht aufgelöst worden ist.

Sie verlangt – erstmals im Berufungsverfahren – ferner die Verurteilung der Beklagten, an sie 3.397,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz seit dem 01.03.2003 zu zahlen.

Der Zahlungsanspruch setzt sich aus den Gehaltsansprüchen für Januar und Februar 2003 in Höhe von 2.949,82 EUR sowie einem Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 351,15 EUR zusammen.

Der Beklagte hat im November 2002 eine weitere Kündigung zum 28.02.02 ausgesprochen, die von der Klägerin nicht angegriffen wird. Im Streit steht deshalb nur der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Monate Januar und Februar 2003.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 17.06.2003 die bis dahin lediglich auf Feststellung gerichtete Klage abgewiesen.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin die Anträge,

  1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26.09.2002 nicht aufgelöst worden ist;
  2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.300,97 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Diskontsatz seit dem 01.03.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von einer weiter gehenden Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69, II ArbGG abgesehen; insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin hat ihre nach § 64, II c ArbGG an sich statthafte Berufung innerhalb der gesetzlichen Fristen formgerecht eingelegt und begründet. Das damit zwar zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das erkennende Gericht bezieht sich gem. § 69, II ArbGG uneingeschränkt auf die eingehende Begründung des Arbeitsgerichts und sieht deshalb von einer eigenen Begründung ab.

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt ihm lediglich Anlass zu folgenden, ergänzenden Anmerkungen:

1.

Der Beklagte hat die Kündigung im Rahmen seiner Befugnisse nach § 113 InsO ausgesprochen. Er war nach § 80 InsO in die Arbeitgeberstellung der Gemeinschuldnerin eingerückt. Von der Zustimmung der Gläubigerversammlung war sein Kündigungsrecht nicht abhängig (vgl. nur LAG Köln vom 05.07.2002 – 4 (6) Sa 161/02 – LAGE Nr. 2 zu § 113 InsO).

2.

Der Beklagte hat die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1, II S. 1 KSchG ausgesprochen; die Kündigung erweist sich deshalb als sozial gerechtfertigt und wirksam.

§ 113 InsO entbindet den Insolvenzverwalter nicht von den Beschränkungen des § 1 KSchG und schafft keinen materiell-rechtlichen Kündigungsgrund (vgl. Busemann/Schäfer, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. 2002, RZ 395; Hess, InsO, § 113 RZ 148 jeweils m.w.N.).

Hier hat der ...

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