Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht nur vorübergehende verdeckte Arbeitnehmerüberlassung aufgrund wirksamer Erlaubnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist der Vertrag zwischen einer Verleiherin und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 AÜG unwirksam, weil die nach §§ 1, 2 AÜG erforderliche Erlaubnis fehlt, gilt unabhängig vom Willen der Beteiligten aufgrund gesetzlicher Fiktion ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiherin und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen der Entleiherin und Verleiherin für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Entleiherin ein, gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiherin und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG).

2. Besitzt eine Arbeitgeberin die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, als Verleiherin Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einer Entleiherin kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt; § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Verleiherin.

3. Für eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da im Gesetzgebungsverfahren bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Entleiherin bestimmt wurde.

4. Das Unionsrecht gibt kein anderes Ergebnis vor; die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) sieht keine bestimmte Sanktion bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers vor.

5. Waren die Erlaubnisse vor dem am 01.12.2011 in Kraft getretenen Gebot einer vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG erteilt worden und damit nicht auf vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung beschränkt, führt die geänderte Rechtslage nicht zur Unwirksamkeit der einmal erteilten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis; ist den Erlaubnissen nicht zu entnehmen, dass sie auf eine offene Arbeitnehmerüberlassung beschränkt sind, ist davon auszugehen, dass auch die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung von einer vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erfasst wird.

6. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG findet auch dann keine Anwendung, wenn der Einsatz entgegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht nur vorübergehend sondern dauerhaft im Rahmen eines scheinbaren Werk- oder Dienstvertrages erfolgt.

7. Hat der Arbeitnehmer über Jahre hinweg seine Tätigkeit im Betrieb der Beklagten (Entleiherin) vor Ort verrichtet, ist er ohne Weiteres aufgrund der dadurch gegebenen Sachnähe auch in der Lage, im Einzelnen unter vorsorglichem Beweisantritt nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen darzulegen, wie sich die tatsächliche Arbeitstätigkeit im Alltag gestaltet hat, wer ihm also insbesondere welche Weisungen erteilt hat und anderes mehr; vor diesem Hintergrund kommt im Einzelfall eine Erleichterung der Anforderungen an die Darlegungslast im Hinblick auf eine hilfsweise eingreifende sekundäre Darlegungslast der Beklagten nicht in Betracht.

 

Normenkette

AÜG §§ 1 ff.; BGB § 611 Abs. 1; AÜG § 1 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 2, 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 10.09.2015; Aktenzeichen 5 Ca 16/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen -Auswärtige Kammern Landau- vom 10.09.2015, Az.: 5 Ca 16/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangen kann, sowie des Weiteren auch darüber, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Der Kläger war seit Januar 2008 zunächst Arbeitnehmer der Firma T. GmbH. Dieses Arbeitsverhältnis wurde anschließend auf Arbeitgeberseite von der a. GmbH fortgeführt.

Von Januar 2008 bis Mai 2013 wurde der Kläger von seinen Arbeitgebern ausschließlich bei der Beklagten eingesetzt. Der Kläger bezog dabei aufgrund des Anstellungsvertrages mit der T. GmbH bei 30 Wochenstunden ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 3.400,00 EUR.

Der Kläger hat vorgetragen,

er sei nur formell Angestellter der Firma T. GmbH bzw. der a GmbH gewesen. Er sei im Werk W. der Beklagten unter vollständiger Integration in deren Unternehmensstruktur sowohl in vertikaler wie auch in horizontaler Hinsicht einschließlich der dortigen Kommunikations/-Entscheidungsprozesse tätig gewesen. Aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass mangels wirksamer Werks-/Dienstverträge von Beginn an eine unzulässige verdeckte dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung auf der Basis von Scheinwerk-/...

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