Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfähigkeit, Vortäuschung einer. Kündigung, außerordentliche. Verhalten, genesungswidriges. Außerordentliche Kündigung eines Masseurs bei körperlich anstrengender Baustellenarbeit während ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die einem Masseur mit der Diagnose "Belastungsdyspnoe sowie Verdacht auf koronare Herzerkrankung" ausgestellt worden ist, kann als erschüttert angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer während der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit körperlich anstrengende Tätigkeiten auf der Baustelle im Haus seiner Tochter verrichtet.

2. Die Fähigkeit, mittelschwere bis schwere Baustellentätigkeiten auszuüben, lässt sich nicht mit einem vom Arbeitnehmer geschilderten Krankheitsbild in Einklang bringen, wonach er unter Herzrasen und Atemnot leidet, ihm das Gehen erhebliche Probleme bereitet, er erschöpft ist, sich ständig ausruhen und erholen muss und sein Pulsschlag nach normalem Treppensteigen etwa 120/min beträgt.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1, § 611 Abs. 1; EFZG § 5 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 286, 416

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 05.12.2012; Aktenzeichen 3 Ca 1271/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 5. Dezember 2012, Az. 3 Ca 1271/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.07.2012.

Der 1953 geborene Kläger ist seit 26.04.1995 im Kurbetrieb der Beklagten als Masseur beschäftigt. Die Parteien führen ihr Arbeitsverhältnis seit 01.01.2011 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell weiter. Die Arbeitsphase endet am 30.09.2013, die sich daran anschließende Freistellungsphase am 30.06.2016. Die Altersteilzeitvergütung des Klägers beträgt € 1.936,89 brutto monatlich. Die Beklagte beschäftigt ca. 30 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

Der Kläger leidet seit 1996 unter chronischem Bluthochdruck. Wegen eines Karzinoms wurde ihm die linke Niere entfernt. Er befindet sich wegen dieser Krankheiten in Dauerbehandlung iSd. § 62 SGB V und muss dauerhaft folgende Medikamente einnehmen: Nebilet 5 mg, Clonidin 0,15 mg, Diltiazem 90 mg, Allupurinol 300 mg, Molsidomin 8 mg, Euthyrox 100 mg, Jodid 100, Furosemid 40 mg. Im November 2009 wurde der Kläger wegen seiner arteriellen Hypertonie stationär behandelt, eine befriedigende Einstellung des Blutdrucks gelang nicht.

Am 20.06.2012 suchte der Kläger die Praxis seines Hausarztes auf. Er wurde für die Zeit vom 20.06. bis einschließlich 29.06.2012 von der Allgemeinärztin Dr. med. E. B. arbeitsunfähig krankgeschrieben. Ihre Diagnose lautete: "Belastungsdyspnoe sowie Verdacht auf koronare Herzerkrankung." Der Kläger litt nach seinen Angaben unter zunehmendem Herzrasen, Atemnot und einer starken Zunahme von Wasser in den Beinen. Allein das Gehen habe ihm erhebliche Probleme bereitet, er sei erschöpft gewesen und habe sich ständig ausruhen und erholen müssen. Sein Pulsschlag habe nach normalem Treppensteigen ca. 120/min. betragen. Erfreulicherweise habe sich sein Gesundheitszustand durch die Einnahme des Medikaments Molsidomin in einer erhöhten Dosierung (2 x 4, statt 2 x 2 mg tgl.) wesentlich gebessert. Er habe sich daher zum Ende der Krankschreibung in der Lage gefühlt, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

Bei der Beklagten ging aus den Reihen der Belegschaft der Hinweis ein, dass der Kläger während der Krankschreibung im Wohnhaus seiner Tochter Renovierungsarbeiten durchführe. Deshalb beauftragte die Beklagte am 25.06.2012 eine Detektei mit der Observierung des Klägers. Der Kläger wurde drei Tage vom 26. bis 28.06.2012 von Detektiven beschattet.

Am Samstag, dem 30.06.2012, nahm der Kläger seine Tätigkeit als Masseur im Betrieb der Beklagten wieder auf. Die Detektei legte der Beklagten am 03.07.2012 ihren Bericht (vgl. wegen des Inhalts im Einzelnen: Bl. 44-60 d.A.) vor. Am 03.07.2012 konfrontierte der kaufmännische Leiter der Beklagten den Kläger mit den Beobachtungen der Detektei und hörte ihn zu den Verdachtsmomenten an, die er in einem Aktenvermerk stichwortartig wie folgt zusammenfasste:

"...

Besuch Bauhaus am 26.06.12 ( Herr C. stimmt zu

Schleifarbeiten mit Schleifmaschine und Atemschutzmaske am 26.06.12 ( keine Rückmeldung

Fenster geputzt und "abgerubbelt" ( Zustimmung

Arbeiten mit Akkuschrauber oder -bohrer ( keine Rückmeldung

Diverse Fahrten zwischen seinem Haus und der Baustelle im Zeitraum 26.06. - 28.06.12 ( Zustimmung

Diverse Putzarbeiten, Säuberung von Arbeitsmaterial, Tragen von Kartonagen und einer Holzpalette ( Zustimmung

Schrank ausgeladen aus Pkw am 28.06.12 ( Zustimmung"

Mit Schreiben vom 05.07.2012 hörte die Beklagte unter Beifügung des Berichts der Detektei den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung an. Die Betriebsratsvorsitzende teilte der ...

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