Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmachtvorlage bei unzureichender Unterrichtung über Kündigungsbefugnis in Mitteilungsblättern des Oberbürgermeisters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Inkenntnissetzen im Sinne des § 174 Satz 2 BGB liegt vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Beschäftigte (wie etwa durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung) in eine Stelle berufen hat, die üblicherweise mit dem Kündigungsrecht verbunden ist; ist diese Funktionsübertragung aufgrund der Stellung des Bevollmächtigten im Betrieb nicht ersichtlich und erfolgt auch keine sonstige Bekanntmachung, ist der Erklärungsempfänger davon in Kenntnis zu setzen, dass der Erklärende diese Stellung tatsächlich innehat.

2. Ist nach einer öffentlich bekannt gemachten Satzung oder einem öffentlich bekannt gemachten Erlass mit dem Bekleiden einer bestimmten Funktion die Kündigungsbefugnis verbunden, muss sich der Erklärungsempfänger zwar die Kenntnis der Satzung oder des Erlasses, aus dem sich das Bestehen der Vertretungsmacht als solcher, also das Kündigungsrecht des jeweiligen Inhabers der in der Satzung oder im Erlass genannten Stelle, zurechnen lassen; den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB ist aber auch in dieser Konstellation erst dann genügt, wenn der Erklärungsempfänger von der Person des Stelleninhabers in Kenntnis gesetzt ist.

3. Die zu § 174 Satz 2 BGB entwickelten Grundsätze können grundsätzlich nicht auf untergeordnete Beschäftigte ausgedehnt werden, die im Rahmen einer Vertretungsregelung zur Vertretung des Personalabteilungsleiters berufen werden; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn für die Betriebsbelegschaft zweifelsfrei feststeht, dass ein bestimmter Arbeitnehmer oder der Inhaber einer bestimmten Stelle unterhalb des Personalabteilungsleiters in dessen Vertretung zur Abgabe von Kündigungserklärungen bevollmächtigt ist.

 

Normenkette

BGB § 174 Sätze 1-2, § 620 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 25.09.2012; Aktenzeichen 8 Ca 4420/11)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az.: 8 Ca 4420/11 - vom 25.09.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Der 1974 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 01. Juli 1999 bei der beklagten Stadt kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02. Mai 1999 als Angestellter für Aufgaben der Überwachung des ruhenden Verkehrs als Hilfspolizeibeamter und zur Durchführung allgemeiner ordnungs- und verwaltungsbehördlicher Maßnahmen angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT bzw. seit dem 1. Oktober 2005 der TVöD in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung Anwendung (im Folgenden: TVöD-VKA). Der Kläger bezieht als Vollzeitbeschäftigter zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von 2.850,00 Euro.

Am 09. November 2011 hielt sich der Kläger nach den Beobachtungen eines von der Beklagten eingeschalteten Detektivs während seiner Dienstzeit von 11.14 Uhr bis 11.55 Uhr in der Pizzeria "A" in K auf, aß eine Pizza, trank zwei Kaffee und suchte die Toilette auf. In seinem handschriftlich verfassten Arbeitszeiterfassungsdokument trug der Kläger für diesen Tag den Zeitraum von 9.00 Uhr bis 13.15 Uhr als Außendiensttätigkeit ein unter gleichzeitiger Angabe seiner Pause von 13.15 Uhr bis 14.00 Uhr. Der Kläger wurde von der Beklagten zu diesem Vorfall am 22. November 2011 angehört und gab keine Erklärung ab.

Der von der Beklagten mit Schreiben vom 24. November 2011 unter Beifügung eines Entwurf des Kündigungsschreibens beteiligte Personalrat teilte mit Schreiben vom 25. November 2011 mit, da eine Abwägung der Beklagten, ob das mildere Mittel der Abmahnung ausreichend sei, nicht ersichtlich sei, werde gebeten, diese Abwägung - falls nicht geschehen - vor Kündigungsausspruch nachzuholen.

Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am gleichen Tag zugegangenem Schreiben vom 25. November 2011 unter Berufung auf einen Arbeitszeitbetrug wegen des Geschehens vom 09. November 2011 außerordentlich fristlos. Das Kündigungsschreiben war vom Stadtverwaltungsrat W unter Angabe seiner Funktion als stellvertretender Leiter des Haupt- und Personalamtes mit dem Zusatz "im Auftrag" unterzeichnet. Eine Kündigungsvollmacht lag dem Kündigungsschreiben nicht bei. Das bei der Beklagten für den inneren Dienstgebrauch vorgesehene Mitteilungsblatt des Oberbürgermeisters der Beklagten Nr. 12 vom 05. Juni 2008 beinhaltete eine Information über die Übertragung der stellvertretenden Leitung des Haupt- und Personalamtes an den Zeugen W und der hiermit für Kündigungen von Beschäftigten bis einschließlich Entgeltgruppe 8 verbundenen Kündigungsvollmacht. Die näheren Umstände ...

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