Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsfrist für gewerbliche Arbeitnehmer. Forderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die unterschiedlichen Grundkündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer/-innen und Angestellte in Betrieben der Systemgastronomie, § 9 Ziffer 2 BMTV, sind von keinem sachlichen Grund getragen und verstoßen gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.

2. Ein Beibehalten alter, mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbarer unterschiedlicher Kündigungsfristen stellt zumindest dann keine neue eigenständige Regelung dar, wenn die Tarifvertragsparteien wegen erkannter Unwirksamkeit eine Neuregelung beabsichtigten, diese aber bei den Verhandlungen nicht zum Inhalt des Tarifvertrages geworden ist.

 

Normenkette

BMTV-Systemgastronomie § 9 Ziff. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 22.03.1995; Aktenzeichen 3 Ca 2041/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.1996; Aktenzeichen 2 AZR 171/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil der Arbeitsgerichtes Kaiserslautern vom 22.03.1995 – Az.: … – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit 10.04.1994 als Arbeiterin auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10.04.1994, wegen dessen näheren Inhalts auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 47–50 d.A.) Bezug genommen wird, beschäftigt.

Nach § 6 des Arbeitsvertrages findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Systemgastronomie (BMTV-S) Anwendung. Die Parteien streiten über die Kündigungsfrist, die der Beklagte für seine Kündigung vom 16.09.1994, die zum 30.09.1994 ausgesprochen wurde, zu beachten hat.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom 27.10.1994 den Lohn für die Zeit vom 01. bis 15.10.1994 in unstreitiger Höhe von DM 660,– brutto mit der Begründung eingeklagt, daß die Kündigungsfrist fälsch berechnet sei.

In § 9 Ziff. 2 des BMTV ist folgendes geregelt:

Nach Ablauf der Probezeit betragen die Kündigungsfristen beiderseitig:

2.1 Für gewerbliche Arbeitnehmer/-innen bei einer Betriebszugehörigkeit

bis zu

1 Jahr

2 Wochen,

bis zu

3 Jahren

3 Wochen,

bis zu

5 Jahren

4 Wochen,

nach

5 Jahren

1 Monat zum Monatsende,

nach

10 Jahren

3 Monate zum Monatsende,

nach

20 Jahren

3 Monate zum Quartalsschluß.

Bei Berechnung der Betriebs Zugehörigkeit werden Beschäftigungsjahre, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt.

Die Kündigungsfrist für Angestellte bei einer Betriebszugehörigkeit bis zu 5 Jahren beträgt 6 Wochen zum Quartalsschluß.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Kündigungsfrist wegen der vorgenommenen Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei.

Die Klägerin hat beantragt:

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 660,– brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit 20.10.1994 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage ab zuweisen.

Der Beklagte hat dies im wesentlichen damit begründet, daß er die unterschiedliche Behandlung der Kündigungsfristen von Arbeitern und. Angestellten für sachlich gerechtfertigt hatte.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 22.03.1995 der Klage stattgegeben und dies im wesentlichen damit begründet, daß die eigenständige Regelung im Tarifvertrag nicht mit dem Gleichheitsgründsatz des Art. 3 GG vereinbar sei, an den auch die Tarifvertragsparteien gebunden seien.

Für die Differenzierung seien keine funktions- branchen- oder betriebsspezifischen Interessen im Geltungsbereich der Systemgastronomie erkennbar.

Die Erklärung der Tarifvertragsparteien, die sich in § 15 Ziff. 2 MTV bezüglich der Gültigkeit der tariflichen Kündigungsfristen finde, habe bislang kein Niederschlag in der tariflichen Kündigungsfristregelung gefunden. Das Urteil ist dem Beklagten am 21.06.1995 zugestellt worden, die hiergegen gerichtete Berufung ist am 06.07.1995 mit Begründung beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Beklagte greift die Entscheidung im wesentlichen damit „an, daß die unterschiedliche Kündigungsfrist sich aus der notwendigen Flexibilität im produktiven Bereich begründen lasse. Die hohe Fluktuationsrate, die bei Arbeitern durchschnittlich 50 % betrage, ließe ein hohes Bedürfnis nach personalwirtschaftlicher Flexibilität beim Arbeitgeber entstehen, so daß eine kurze Kündigungsfrist angebracht sei. Dies insbesondere deshalb, weil es sich um ungelernte Arbeitskräfte handele, die zum Teil einer Nebenbeschäftigung oder regelmäßig lediglich für einen begrenzten Zeitraum einer Verdienstquelle nachgingen. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in den Betrieben des Beklagten betrage bei Arbeitern weniger als 1 Jahr, da es meist Arbeitsverhältnisse von kurzer Dauer, insbesondere Studenten und Schüler und nebenberuflich Tätige seien.

Von den 200 Arbeitnehmern, die der Beklagte beschäftige, seien 80 Personen als Aushilfskräfte eingestellt, weswegen man sich auf den ständigen Wechsel der Arbeitskräfte nur mit einer verkürzten Kündigungsfrist einstellen könne.

Aber auch die Arbeitnehmer hätten ein Interesse an einer kurzze...

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