Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung. Straftat. Verdacht. Aussetzung der Verhandlung wegen Verdachts einer Straftat

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für eine Verfahrensaussetzung ist ein aus Sicht des Gerichts bestehender Verdacht einer strafbaren Handlung eines Prozessbeteiligten, sofern dieser Verdacht geeignet ist, im Fall seiner Begründetheit Einfluss auf die Sachverhaltsfeststellung im ausgesetzten Verfahren auszuüben. Liegt diese Voraussetzung vor, muss das Gericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Verzögerung des Zivilprozesses gegen den möglichen Erkenntnisgewinn im Strafverfahren abwägen. Ist mit Verzögerung um mehr als ein Jahr zu rechnen, hat die Aussetzung i.d.R. zu unterbleiben, wie sich aus der Wertung im neuen § 149 Abs. 2 ZPO ergibt.

2. Müsste sich ein Prozessbeteiligter im Rahmen seines (wahrheitsgemäßen) Sachvortrags selbst einer Straftat bezichtigen, resultiert hieraus kein Aussetzungsgrund.

 

Normenkette

ZPO §§ 149, 149 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 14.05.2009; Aktenzeichen 3 Ca 710/09)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 14.05.2009, Az: 3 Ca 710/09, abgeändert und der Haupt- und Hilfsantrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens vom 20.04.2009 werden zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin, die mit dem Vertrieb von Wein befasst ist und den Beklagten seit ca. fünf Jahren als Buchhalterin beschäftigte, hat beim Arbeitsgericht Mainz eine Klage auf Schadenersatz in Höhe von 271.377,36 EUR nebst Zinsen eingereicht.

Zur Begründung hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, der Beklagte habe sie vorsätzlich in Höhe der Klageforderung geschädigt als er während der Zeit vom 07.02.2007 bis 29.01.2009 in mindestens 35 Fällen Geldzahlungen von dem Geschäftskonto der Beklagten auf eigene Privatkonten und die Konten von Frau JS und Frau ES veranlasst habe (vgl. zu den einzelnen Überweisungsvorgängen die Daten in der Zusammenstellung der Bankauszüge vom 15.03.2009; Bl. 7 d. A.). Dabei habe er die Geldzahlungen durch virtuelle Rechnungen und Buchungen getarnt, wodurch offene Posten erzeugt worden seien. Diesen offenen Posten habe er seine eigenen Privatkontendaten oder jene einer der beiden Frauen zugewiesen. Nach dem Zahlungsfluss habe er dann die Kontodaten des Empfängerkontos gelöscht, um den Vorgang zu verschleiern. Seinem Vorgesetzten, dem Geschäftsführer der Klägerin, sei dies lange Zeit nicht aufgefallen, da der Beklagte diesem stets nur Sammelüberweisungsaufträge an die Bank vorgelegt habe, welche nicht die einzelnen Rechnungspositionen, Rechnungsbeträge und Empfängerdaten enthalten hätten.

Der Beklagte hat hierauf erwidert, die Staatsanwaltschaft Mainz habe wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein Ermittlungsverfahren unter dem Aktenzeichen 3111 Js 5355/09 eingeleitet. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen und dem Beklagten sei bislang eine Einsicht in die Ermittlungsakte nicht gestattet worden. Das arbeitsgerichtliche Verfahren sei gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 149 Abs. 1 ZPO auszusetzen, da ansonsten der Beklagte bei Fortführung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wegen der anders gelagerten Beweislast und der ihm obliegenden Wahrheitspflicht unter Umständen gezwungen sei, Erklärungen abzugeben, die im Strafverfahren gegen ihn verwandt werden könnten, obwohl ihm bislang noch nicht einmal Einsicht in die Ermittlungsakte gewährt worden sei. Darüber hinaus sei im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 149 ZPO zu berücksichtigen, dass die Aussetzung auch aus verschiedenen Gründen verfahrensökonomisch sei.

Der Beklagte hat beantragt,

  1. das Verfahren gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 149 Abs. 1 ZPO bis zum Abschluss des gegen den Beklagten geführten Strafverfahrens, das derzeit von der Staatsanwaltschaft Mainz unter dem Aktenzeichen 3111 Js 5355/09 geführt wird, auszusetzen,
  2. hilfsweise das Verfahren gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 149 Abs. 1 ZPO bis zum Abschluss der Ermittlungen in dem gegen den Beklagten geführten Strafverfahren, das derzeit von der Staatsanwaltschaft Mainz unter dem Aktenzeichen 3111 Js 5355/09 geführt wird, auszusetzen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Anträge des Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens zurückzuweisen.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, ihr eigenes Interesse an einer vom Verlauf des Strafverfahrens unbeeinflussten Fortsetzung des Rechtsstreits überwiege die Belange des Beklagten. Es sei zweifelhaft, ob § 149 ZPO anwendbar sei, da sich der Beklagte durch sein eigenes Handeln der „Konfliktlage” ausgesetzt habe. Es sei im Übrigen auch nicht davon auszugehen, dass im Strafverfahren die Sachverhalte gründlicher und schneller aufgeklärt werden könnten und damit eine doppelte Beweisaufnahme erspart werden könne. Dem Beklagten sei, trotz eines etwaigen Aussageverweigerungsrechtes, zuzumuten, zu...

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