Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehinderter. Zeugnis. Wertfestsetzung. Vergleichsmehrwert

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG setzt für die Gegenstandswertfestsetzung aus sozialpolitischen Gründen eine Obergrenze für die dort genannten Streitigkeiten fest. Diese kann auch dann nicht überschritten werden, wenn dem Kläger besonderer Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch nach den §§ 85 ff. SGB IX zusteht.

2. Ein Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist in der Regel mit einem Bruttomonatsverdienst zu bewerten. Folgen mehrere Abmahnungen hintereinander, ist in der Regel die erste Abmahnung mit einem Bruttomonatsverdienst und jede weitere Abmahnung mit 1/3 Bruttomonatsverdienst zu bewerten.

3. Das detaillierte Festhalten einer Zeugnis-Schlussformel im Vergleich und die Regelung des Ausscheidens aus „gesundheitlichen Gründen” – nach vorausgegangenem Ausspruch einer auf dem Verhalten des Klägers beruhenden fristlosen Kündigung – lässt den Schluss zu, dass über die Erteilung des Zeugnisses eine „Ungewissheit” der Parteien im Sinne der Nr. 1000 VV RVG bestand.

 

Normenkette

RVG VV Nr. 1000; SGB-IX § 85

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 26.04.2011; Aktenzeichen 10 Ca 2162/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird die Gegenstandswertfestsetzung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2011 – 10 Ca 2162/10 – wie folgt geändert:

„Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird für das Verfahren auf 15.000,– Euro und für den Vergleich auf 17.850,– Euro festgesetzt. „

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer zu ½.

3. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.

 

Tatbestand

I. Die beschwerdeführenden Prozessbevollmächtigten des Klägers wenden sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts ihrer anwaltlichen Tätigkeit durch das Arbeitsgericht.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1995 zu einem durchschnittlichen Netto-Monatsgehalt von 2.500,– Euro als Altenpfleger beschäftigt.

Mit seiner Klage hat er sich zunächst gegen eine ihm gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung zur Wehr gesetzt. Klageerweiternd hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, zwei Abmahnungen mit Datum vom 01.12.2005 bzw. vom 14.04.2008 aus seiner Personalakte zu entfernen sowie die in der Abmahnung vom 14.04.2008 aufgestellte Behauptung gegenüber den Mitarbeitern seiner Abteilung zu widerrufen.

Die Parteien haben ihren Rechtsstreit gemäß 278 Abs. 6 ZPO durch gerichtlichen Vergleich erledigt. In diesem Vergleich haben die Parteien geregelt: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011, eine Abfindungszahlung, die Freistellung des Klägers sowie die Abgeltung aller Urlaubsansprüche in Höhe von einem Bruttomonatsgehalt, die Erteilung eines Zeugnisses mit der Schlussformel ”Herr A. ist am 30.06.2011 aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. Wir bedauern seinen Weggang und wünschen ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute”, ein Zurückbehaltungsrecht, die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 1 SGB III, eine Geheimhaltungsklausel hinsichtlich des Vergleichsinhalts, der Hinweis nach § 37b SGB III sowie eine Erledigungsklausel.

Mit Beschluss vom 26.04.2011 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf 10.000,– Euro festgesetzt. Dabei hat es den Kündigungsschutzantrag mit drei Monatsvergütungen und den Weiterbeschäftigungsantrag mit einer Monatsvergütung bewertet.

Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 05.05.2011, eingegangen beim Arbeitsgericht am 09.05.2011, Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerdeführer begehren eine Wertfestsetzung in Höhe von 30.000,– Euro und führen zur Begründung aus, bei der Kündigungsschutzklage sei „im Regelfall mindestens ein Quartalseinkommen” festzusetzen. Dieses reiche hier angesichts des Kündigungszeitpunktes unmittelbar vor Auszahlung des 13. Gehaltes sowie der Unkündbarkeit des Klägers nicht aus. Demzufolge seien 36 Monatsgehälter anzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat diese unter Hinweis auf § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde fristgerecht eingelegt und übersteigt auch die in § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG enthaltene Voraussetzung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Ihrer Zulässigkeit steht auch nicht – im Sinne einer Widersprüchlichkeit des Antrags – entgegen, dass die Beschwerdeführer zunächst eine Festsetzung von 36 Monatsgehältern à 2.500,– Euro begehrten und diese rechnerisch unzutreffend mit 30.000,– Euro beziffert haben. Da sie in ihrem zuletzt verfassten Schriftsatz vom 05.05.2011 ausdrücklich die Summe von 30.000,– Euro als begehrte Wertfestsetzung nennen, ist diese als beantragter Wert zu verstehen.

Auch wenn sich die Beschwerdeführer dem reinen Wortlaut ih...

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