Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Krankheit. Umsetzungsmöglichkeit. Entgeltkürzung wegen behaupteter Leistungsmängel. Mündliche Geltendmachung bei Schriftlichkeit erfordernder Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine wegen langanhaltender Krankheit ausgesprochene Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, wenn eine mittels Direktionsrechts durchführbare Einsetzungsmöglichkeit in einer anderen Abteilung besteht, bei der Beeinträchtigungen durch die Krankheit nicht verliegen. Äußert sich der Arbeitgeber zum Sachvortrag des Arbeitnehmers nicht, eine solche Möglichkeit bestehe, geht dies nach § 1 Abs. 2 S 4 KSchG zu seinen Lasten.

2. Wird der Arbeitnehmer in die andere Abteilung versetzt, muss er Zahlung nach dem dortigen Zeitlohn hinnehmen, auch wenn er in der ursprünglichen Abteilung mit Akkordlohn vergütet worden ist.

3. Der Arbeitgeber hat im einzelnen darzulegen, nach welchen Maßstäben eine wegen behaupteter Minderleistungen durchgeführte weitere Entgeltkürzung durchgeführt worden ist.

4. Wendet sich der Arbeitnehmer dadurch gegen die Lohnkürzung, dass er gegenüber seinem Meister mündlich widerspricht, und erklärt dieser, er bekomme dann höheren Lohn, wenn er dieselben Leistungen bringe wie ein anderer Arbeitnehmer, dann ist die Berufung der Beklagten auf eine Schriftform erfordernde Ausschlussfrist nicht treuwidrig.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB §§ 611, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 19.12.2001; Aktenzeichen 8 Ca 9714/00 A)

ArbG Nürnberg (Urteil vom 19.12.2001; Aktenzeichen 8 Ca 5751/01 A)

ArbG Nürnberg (Teilurteil vom 24.05.2001; Aktenzeichen 8 Ca 9714/00 A)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 19.12.2001 – Az. 8 Ca 5751/01 A – wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 24.05.2001 – Az. 8 Ca 9714/00 A – wird zurückgewiesen.

III Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag Ansbach, vom 19.12.2001 – Az. 8 Ca 9714/00 A – wie folgt abgeändert:

  1. Die Beklagte hat an den Kläger den sich aus Euro 585,64 (in Worten Euro fünfhundertfünfundachtzig 64/100) brutto ergebenden Nettobetrag nebst 4% Zinsen hieraus seit 01.04.2001 zu zahlen.
  2. Die Beklagte hat an den Kläger des weiteren den sich aus Euro 1.504,52 (in Worten: Euro eintausendfünfhundertvier 52/100) brutto ergebenden Nettobetrag nebst 4% Zinsen hieraus seit 17.04.2002 zu zahlen.
  3. Im übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil vom 19.12.2001 zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz im Verfahren 8 Ca 9714/00 A hat: der Kläger 7/8, die Beklagte 1/8 zu tragen.

V. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 3/8, die Beklagte 5/8 zu tragen.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche krankheitsbedingte Arbeitgeberkündigung sowie über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Nachzahlung von Entgelt

Der am … 1950 geborene Kläger ist seit 08.08.1989 bei der Beklagten, die einen Betrieb der Kunststoff verarbeitenden Industrie mit etwa siebzig ständig Beschäftigten fuhrt, als Kunststoffwerker beschäftigt. In § 2 des Arbeitsvertrages vom 08.08.1989 ist geregelt, dass sich die Zusammensetzung des Lohnes aus einer ausgehändigten Lohnaufstellung ergebe. In § 8 ist festgehalten, dass im übrigen für das Arbeitsverhältnis ergänzend die Vorschriften des Tarifvertrages und der Arbeitsordnung der Firma in ihrer jeweiligen Fassung gelten sollten (Einzelheiten vgl. Arbeitsvertrag, Bl. 9 f. der Akte 8 Ca 9714/00 A). Der Kläger, der bis 13.02.1998 in der Presserei eingesetzt wurde, erhielt dort einen Stundenlohn von 24,12 DM brutto unter der Bezeichnung „D-Fertigungslohn”, teilweise einen aus „F-Grundlohn” von 17,30 DM und „Prämie F-Lohn P” in Höhe von 5,45 DM zusammengesetzten geringeren Lohn.

Am 13.02.1998 erlitt der Kläger in der Presserei einen Arbeitsunfall. Aufgrund dieses Unfalls war er – mit einer Unterbrechung von zwei Tagen am 07.09. und 08.09.1998 – arbeitsunfähig erkrankt bis einschließlich 15.01.1999. In der Folge war er weiter erkrankt von 19.08.1999 bis 26.08.1999, von 07.09.1999 bis 24.04.2000 – unterbrochen von einem Arbeitsversuch am 23.03.2000 –, von 26.04.2000 bis 29.08.2000, von 19.09.2000 bis 30.10.2000, von 28.03.2001 bis 10.12.2001, von 12.12.2001 bis 19.12.2001 und von 09.01.2002 bis 18.01.2002. Soweit er in diesem Zeitraum Arbeitsleistungen erbrachte, war er im wesentlichen nicht mehr in der Presserei, sondern in der Zuschneiderei eingesetzt. Dort erhielt er – ab 19.01.1999 – zunächst einen Stundenlohn von 20,88 DM brutto. Ab Mai 1999 erhielt er einen Stundenlohn von nur noch 17,76 DM brutto, spätestens ab Januar 2001 von 18,21 DM brutto.

Mit Schreiben vom 27.06.2001 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.10.2001 mit der Begründung, aufgrund der häufigen un...

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