Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Scheitert eine Kündigung, bei der der Personalrat ordnungsgemäß gemäß Art. 72 Abs. 1, 77 Abs. 1 BayPersVG mitgewirkt hat, am fehlenden oder nicht nachweisbaren Zugang beim Kündigungsgegner, so bedarf es vor der erneuten Übersendung des Kündigungsschreibens, durch die nunmehr ein wirksamer Zugang der Kündigung bewirkt werden soll, keiner erneuten Beteiligung des Personalrats.

2. Eine Kündigung wegen langanhaltender Arbeitsunfähigkeit ist dann sozial gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aufgrund der objektiven Umstände auf eine Arbeitsunfähigkeit für nicht absehbare Zeit zu schließen ist und gerade diese Ungewißheit zu unzumutbaren betrieblichen Belastungen führt.

3. Eine solche Belastung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bereits längere Zeit arbeitsunfähig krank (hier fast 4 Jahre) und im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit noch völlig ungewiß ist.

4. Ein vom Arbeitnehmer vorgelegtes ärztliches Attest des Hausarztes, in dem „Arbeitsfähigkeit voraussichtlich im Herbst” des laufenden Jahres prognostiziert wird, steht einer negativen Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers jedenfalls dann nicht entgegen, wenn nach dem sonstigen Inhalt des Attests ein längerer Verlauf der Erkrankung „vorprogrammiert” ist, der Arzt sich vorher für eine Beurteilung als nicht kompetent angesehen und bereits in einem früheren Attest eine unzutreffende Prognose bezüglich der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit abgegeben hatte und die Arbeitsunfähigkeit auch im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch andauerte, ohne daß ein Ende abzusehen war.

 

Normenkette

KSchG § 1; BayPersVG Art. 72 Abs. 1, Art. 77 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 05.10.1994; Aktenzeichen 7 Ca 1539/93)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 05. Oktober 1994 (Az.: 7 Ca 1539/93) wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer krankheitsbedingten Arbeitgeberkündigung.

Die im Jahre 1946 geborene Klägerin steht seit 01.08.1980 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 22.07.1980, in dem auf die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in seiner jeweils gültigen Fassung verwiesen wird, als Krankengymnastin in den Diensten der Beklagten. Ihr Arbeitsort war die Rheumaklinik der Beklagten in B.; dort war sie zuletzt als Leiterin der krankengymnastischen Abteilung eingesetzt. Seit 31.08.1989 ist die Klägerin aufgrund eines Zeckenbisses arbeitsunfähig krank.

Auf schriftliche Anfragen der Beklagten, wann wieder mit einer Arbeitsaufnahme zu rechnen sei, gab die Klägerin im März 1991 einen Zeitraum von 3–4 Monaten und im August 1991 das Ende des Jahres 1991 an. Im Dezember 1991 verwies sie die Beklagte an ihren behandelnden Arzt, der sich jedoch auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten nach eigener Aussage als nicht kompetent erwies und die Beklagte an Dr. H. verwies, den die Klägerin jedoch nicht von seiner Schweigepflicht entbunden hatte. Dieser erstellte ein Gutachten für die Beklagte, das jedoch von dieser – nachdem die Klägerin auf die fehlende Entbindung von der Schweigepflicht hingewiesen hatte – nicht verwertet wurde. Eine von Dr. H. und dem Ärztlichen Dienst der Beklagten zur diagnostischen Klärung für erforderlich gehaltene und von der Beklagten der Klägerin mit Schreiben vom 14.07.1992 vorgeschlagene fachärztliche Untersuchung, die auch eine Liquor-Untersuchung beinhaltet hätte, lehnte die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 30.07.1992 ab.

Unter dem 18.08.1992 erteilte der die Klägerin behandelnde Hausarzt Dr. folgendes Attest:

„Betrifft: M. geb. 05.09.46 wohnh. …

Attest zur Vorlage bei den Behörden

Frau M. befindet sich seit 14.01.91 in meiner ständigen Behandlung. Frau M. leidet an den Folgen einer Enziphalomyelitis dissamianta im „Rahmen einer Lyme-disease. Eine vom Neurologen vorgeschlagene Lumbalpunktion wird aus hausärztlicher Sicht” für überflüssig gehalten, da die Ursache der Erkrankung bereits diagnostiziert ist und keiner Abklärung mehr bedarf.

Die voraussichtliche Arbeitsfähigkeit der Pat. würde ich für Ende 1992 in Aussicht stellen.”

Nachdem die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin auch über den Jahreswechsel hinaus andauerte, erteilte Dr. D. unter dem 26.01.1993 folgendes weitere Attest:

„Betrifft: M., geb. 05.09.46 wohnh. …

Attest zur Vorlage beim Arbeitgeber

Frau M. befindet sich seit 14.01.91 in meiner ständigen Behandlung. Frau M. leidet seit 1987 an den Folgen eines Zeckenbisses im Bereich der Palmarseite des re. Unterarmes. Außerdem besteht ein erhöhter Zeckentiter laut Befund der Universität M., Abteilung Infektions- und Tropenmedizin vom 14.02.89. Frau M. leidet trotz intensiver physikalischer und medikamentöser Therapie unter starken Muskelkrämpfen und massiver Gehbehinderung. Da die Erkrankung n...

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