Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines vor einer Außenkammer abgeschlossenen Vergleichs. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Haben die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich den Widerruf durch Einreichung eines Schriftsatzes zu einer durch Landesgesetz eingerichteten auswärtigen Kammer eines Arbeitsgerichts vereinbart, so kann der Vergleich fristwahrend nicht durch Eingang eines Schriftsatzes beim Stammgericht widerrufen werden. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den zuständigen Kammervorsitzenden kommt es nicht an.

Revision ist zugelassen.

 

Normenkette

ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 14 Abs. 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 17.07.2002; Aktenzeichen 6 Ca 69/02 A)

 

Tenor

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg/Kammer Aschaffenburg vom 17.07.2002 – Az.: 6 Ca 69/02 A – in Ziffern 1 und 2 abgeändert.

2.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den gerichtlichen Vergleich vom 18.02.2002 beendet worden ist.

3.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

4.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Frage, ob der Rechtsstreit durch den vor dem Arbeitsgericht Würzburg/Kammer Aschaffenburg geschlossenen Vergleich vom 18.02.2002 beendet worden ist.

Am 18.02.2002 haben die Parteien vor dem Arbeitsgericht Würzburg/Kammer Aschaffenburg einen widerruflichen Vergleich geschlossen, dessen Ziffer 4. folgenden Wortlaut hat:

„4. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch Einreichung eines Schriftsatzes zum Arbeitsgericht Würzburg, Kammer Aschaffenburg, bis einschließlich 05.03.2002 widerrufen wird.”

Mit Schriftsatz vom 04.03.2002 hat die Beklagte den Widerruf des Vergleichs erklärt. Der an das Arbeitsgericht Würzburg, Ludwigstraße 33, 97070 Würzburg gerichtete Widerruf ist dort per Telefax am 04.03.2002 eingegangen und dem für das streitgegenständliche Verfahren zuständigen, am 05.03.2002 am Arbeitsgericht Würzburg anwesenden Kammervorsitzenden vorgelegt worden.

Das Arbeitsgericht hat daraufhin das Verfahren fortgesetzt und mit Endurteil vom 17.07.2002 die Klage abgewiesen. Das Erstgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Vergleich vom 18.02.2002 rechtzeitig widerrufen worden ist. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.

Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Berufung lässt der Kläger vortragen, das Verfahren sei durch den Vergleich vom 18.02.2002 beendet worden. Der Widerruf sei beim Arbeitsgericht Würzburg, nicht aber bei der im Vergleich hierzu vorgesehenen Kammer Aschaffenburg des Arbeitsgerichts Würzburg innerhalb der Widerrufsfrist erklärt worden.

Der Kläger beantragt:

1.

Auf die Berufung des Klägers und Berufungsklägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 17.07.2002 aufgehoben.

2.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 18.02.2002 beendet worden ist.

3.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Widerruf habe auch beim Stammgericht eingereicht werden können; im Übrigen habe der zuständige Richter innerhalb der Frist Kenntnis vom Widerruf genommen.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Rechtsstreit wurde durch den Vergleich vom 18.02.2002 beendet; der mit Schriftsatz vom 04.03.2002 erklärte Widerruf ist innerhalb der Widerrufsfrist beim Arbeitsgericht Würzburg, nicht aber bei der von den Parteien hierzu bestimmten Kammer Aschaffenburg des Arbeitsgerichts Würzburg eingegangen.

Zwar können die für einen auswärtigen Spruchkörper bestimmten Schriftsätze grundsätzlich auch beim Stammgericht wirksam eingereicht werden (vgl. BAG vom 23.09.1981, AP Nr. 2 zu § 64 ArbGG 1979), dies gilt aber nicht ohne weiteres für den Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs, weil sich Form und Frist des Widerrufs allein nach der von den Parteien getroffenen Vereinbarung richten und nach materiell-rechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sind (BGH vom 25.01.1980, NJW 1980, 1753 ff). Der Wortlaut der Ziffer 4. des Vergleiches vom 18.02.2002 ist eindeutig; die Parteien haben rechtlich bindend als Erklärungsempfänger nicht das Stammgericht schlechthin, sondern allein dessen auswärtige Kammer Aschaffenburg bestimmt.

Der Prozessvergleich ist ein Prozessvertrag, der eine Doppelnatur hat. Er ist Prozesshandlung, weil er den Rechtsstreit beendet, und privatrechtlicher Vertrag, weil er sachlich-rechtlich die Ansprüche und Verbindlichkeiten der Parteien regelt. Als Vertrag des bürgerlichen Rechts unterliegt er den Vorschriften und Grundsätzen des Privatrechts. Dem entspricht es, dass die Freiheit der Prozessparteien, den Empfänger eines Widerrufsschriftsatzes zu bestimme...

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