Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Tarif Sozialplans hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Leistungen bei Übergang einzelner Bereiche eines Unternehmens auf verschiedene neue Betriebe

 

Leitsatz (amtlich)

Gehen einzelne Bereiche eines Unternehmens im Wege des Betriebsübergangs auf verschiedene Werke über, dürfen die Tarifparteien die in einem Tarifsozialplan vorgesehenen Leistungen danach differenzieren, welche wirtschaftlichen Nachteile beim jeweiligen Erwerber drohen könnten. Hierzu gehört auch, ob und ggf. an welchen Tarifvertrag der Erwerber gebunden ist.

 

Normenkette

GG Art. 3, 9 Abs. 3; TVG § 4; BGB § 613e

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 08.05.2018; Aktenzeichen 2 Ca 1220/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.02.2020; Aktenzeichen 4 AZR 48/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 08.05.2018 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Sozialplan.

Der Kläger war seit 01.09.1984 bei der Beklagten im Geschäftsbereich "C." beschäftigt.

Am 01.06.2016 schlossen die IG Metall Bezirk Baden-Württemberg, diese zugleich in Vertretung u.a. der Bezirksleitung Bayern, mit verschiedenen Unternehmen der B.-Gruppe, auch der Beklagten, einen Tarifsozialplan.

Unter C.5. Sozialplanabfindung heißt es:

Jeder Beschäftigte, dessen Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag oder sonst arbeitgeberseitig veranlasst endet, erhält eine Sozialplanabfindung, die sich nach folgenden Grundsätzen bemisst: ...

5.4.3. des Sozialplans lautet:

Beschäftigte, die auf maßgebliche Vermittlung von B. innerhalb von 4 Wochen nach Ausscheiden bei B. eine neue Stelle außerhalb B. antreten, erhalten zunächst eine Abfindung, die sich nach obigen Regelungen ergibt, die um 40% gekürzt ist.

a) Als auf maßgebliche Vermittlung von B. angenommene Stelle gelten solche Stellen anderer Arbeitgeber, die von B. an einen Beschäftigten herangetragen wurden, oder die nachweislich auf Hinweis von B. an andere Arbeitgeber von diesen angeboten wurden.

...

Der Tarifsozialplan tritt gemäß seiner Regelung in E.2. zum 31.01.2018 außer Kraft, wurde allerdings bis 31.07.2019 verlängert.

Ebenfalls am 01.06.2016 wurde zwischen der B. AG, gleichzeitig für alle dem deutschen B.-Konzern angehörenden B. - Gesellschaften und Beteiligungsgesellschaften in Deutschland (ABC), einerseits und dem Konzernbetriebsrat andererseits ein "Rahmeninteressenausgleich 2016+" abgeschlossen. Darin heißt es unter A. Hintergrund:

Vor dem Hintergrund schwieriger werdender Märkte und angespannter Wettbewerbssituationen hat sich die B.-Gruppe entschieden, ein "White Colar Productivity" (WCP) - Programm aufzulegen und umzusetzen, das B. für die Zukunft rüstet indem das Geschäft noch näher an den Kunden rückt, Prozesse stärker vereinheitlicht werden, Einsparpotentiale über u.a. Shared Services Center genutzt werden.

Wegen der Einzelheiten der geplanten Maßnahmen und der Vorgehensweise wird auf den vorgelegten Rahmeninteressenausgleich Bezug genommen (Bl. 355 ff d.A.).

Mit Datum 05.08.2016 vereinbarten die Tarif- und Konzernbetriebsparteien in einer "authentischen Interpretation des Sozialplans vom 01.06.2016" (Bl. 52 ff d.A.) u.a. Folgendes:

9. Zu C.5.4.3. Beschäftigte mit neuer Stelle auf Grund Vermittlung durch B.

Für Beschäftigte, die im Rahmen eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs auf einen Erwerber außerhalb B. übergehen, finden die Regelungen unter C.5.4.3 Absatz 1 Anwendung, d.h. die Abfindung wird um 40% gekürzt.

Die Tarif- und Konzernbetriebsparteien des Sozialplans vereinbarten am 30.09.2016 eine Protokollnotiz (Bl. 54 d.A.). Für die Gewerkschaft unterzeichnete, wie auch bereits beim Tarifsozialplan vom 01.06.2016 und bei der authentischen Interpretation vom 05.08.2016, Herr D.. Dort heißt es unter 2.:

Zu C.5.4.3. Beschäftigte mit neuer Stelle auf Grund Vermittlung durch B.

a. Für Maßnahmen, die im Rahmen von WCP (und damit innerhalb des Rahmeninteressenausgleichs vom 01.06.2016) erfolgen gilt:

Für Beschäftigte, die im Rahmen eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs oder aber einer Funktionsnachfolge auf einen Erwerber außerhalb B. übergehen, finden die Regelungen unter C.5.4.3 Anwendung. Im Falle eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang findet die Regelung aus C.5.4.3 Absatz 1 Anwendung, d.h. die Abfindung wird um 40% gekürzt.

b. Für Fälle anderer Betriebsübergänge oder Teilbetriebsübergänge wird abschliessend geregelt:

aa. Es gelten die Regelungen des § 613 a BGB.

Auch die Weitergeltung dieses Sozialplans beim Betriebsübernehmer richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen (§ 613 a BGB).

§ 613 a Abs. 1 BGB lautet derzeit:

...

bb. Sollte das Arbeitsverhältnis jedoch innerhalb von 12 Monaten nach dem Zeitpunkt des Auslaufens des Sozialplans arbeitgeberseitig betriebsbedingt beendet werden, erhält der Beschäftigte in den ersten drei Monaten nach Beginn dieser Frist die volle Abfindung, in den jeweils folgenden Quartal...

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