Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensausübung des Gerichts bei Festsetzung des Gebührenstreitwerts bei unbeziffertem Antrag auf Schmerzensgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Festsetzung des Gebührenstreitwerts bei einem unbezifferten Antrag auf Schmerzensgeld, dessen Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber einen bestimmten Betrag nicht unterschreiten soll, ist das Gericht nicht an die Vorstellungen des Klägers gebunden. Vielmehr hat das Gericht gemäß § 3 ZPO ein Ermessen. Dies wird dadurch ausgeübt, dass das Gericht den Sachvortrag des Klägers bei Erhebung der Klage als richtig unterstellt und ihn einer rechtlichen Bewertung unterzieht.

 

Normenkette

ArbGG § 78a; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Aktenzeichen 9 Ca 4365/16)

 

Tenor

1. Die Anhörungsrüge des Klägervertreters wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Klägervertreters auf Abänderung des Streitwerts wird abgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Parteien stritten in der Hauptsache u.a. um die Wirksamkeit zweier fristlos, hilfsweise ordentlich ausgesprochener Kündigungen sowie um Schmerzensgeld.

Bezüglich des Schmerzensgeldes hatte der Kläger zuletzt zwei Anträge gestellt, in denen jeweils beantragt war, die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, das aber je 20.000,00 € nicht unterschreiten sollte, zu verurteilen.

Grund für die erste Kündigung war ein Vorfall am 15.08.2016. An diesem Tag fuhren der Kläger und eine Kollegin gemeinsam im Aufzug vom Erdgeschoss in den ersten Stock. Nachdem die beiden den Aufzug verlassen hatten, redete der Kläger auf die Kollegin ein.

Am folgenden Tag wurde die Kollegin bei der Beklagten vorstellig und beschwerte sich über einen sexuellen Übergriff des Klägers ihr gegenüber. Über das Gespräch wurde ein Protokoll gefertigt. Darin heißt es in Bezug auf die Situation im Aufzug u.a.:

Im nächsten Augenblick umschlang er mich mit den Armen, presste sich an mich, versuchte mir einen Kuss aufzudrücken. Seine Hände berührten mich an den Seiten und am Rücken, von Höhe Hüften bis Höhe Brustkorb/Schultern (tastend, greifend, suchend).

...

Beim Hinaus aus den Aufzug griff er mir, dennoch mit der vollen Hand an den Hintern und drückte die Pobacke.

...

Im Protokoll ist weiter ausgeführt, der Kläger habe die Kollegin verfolgt, mehrmals ihre Telefonnummer verlangt und angekündigt, er wolle sie besuchen.

Die Beklagte hörte den Kläger zu den Vorwürfen an und sprach am 17.08.2016 eine Kündigung aus. Sie begründete sie mit sexueller Nötigung durch den Kläger bzw. dem Verdacht einer sexuellen Nötigung.

Die Kollegin erstattete Anzeige gegen den Kläger. Das Verfahren wurde gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2017 stellte der Kläger den Antrag, die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 20.000,00 € zu verurteilen. Er begründete dies damit, dass die Beklagte, obwohl das Strafverfahren gemäß § 170 Absatz 2 StPO bereits eingestellt worden sei, ihn weiterhin der sexuellen Nötigung bezichtige. Dadurch greife sie in seine, des Klägers, Persönlichkeitsrechte ein. Sie missbrauche eine öffentliche Bloßstellung, um arbeitsrechtliche Ziele zu erreichen.

Die Beklagte legte in einem Schriftsatz vom 31.01.2017 die Kopie des Protokolls der polizeilichen Zeugenvernehmung der Kollegin sowie einen polizeilichen Vermerk über ein Telefonat vom 23.08.2016 mit der Kollegin vor. Sie führte dazu im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Kollegin als Zeugin dazu aus, dass die Schilderungen der Kollegin nicht erheblich voneinander abwichen.

Mit Schriftsatz vom 15.02.2017 erweiterte der Kläger seine Klage u.a. um den Antrag, die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000,00 € zu verurteilen. Dies wurde damit begründet, dass die Beklagte unberechtigterweise Ausschnitte aus der Ermittlungsakte öffentlich gemacht und in den Prozess eingeführt habe. Damit habe die Beklagte vorsätzlich sein informelles Selbstbestimmungsrecht verletzt.

Das Erstgericht wies nach Beweisaufnahme die Klage hinsichtlich der Kündigungen sowie der Schmerzensgeldansprüche ab.

Der Kläger legte gegen das Urteil des Erstgerichts Berufung ein.

Das Berufungsverfahren endete am 16.11.2018 mit dem Abschluss eines Vergleichs.

Bei der Streitwertfestsetzung wurden die Schmerzensgeldansprüche mit je 5.000,00 € bewertet.

Hiergegen wandte sich der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 23.11.2018.

Mit Beschluss vom 07.12.2018 begründete das erkennende Gericht die Festsetzung des Streitwerts für die Anträge auf Schmerzensgeld.

Der Beschluss wurde formlos am 10.12.2018 an den Klägervertreter versandt.

Mit Schriftsatz vom 07.01.2019 legte der Klägervertreter gegen den Beschluss vom 07.12.2018 Beschwerde ein und erhob gleichzeitig u.a. die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Der Klägervertreter macht geltend, nach einhelliger Rechtsprechung komme es bei Klagen auf Schmerzensgeld mit Mindestbeträgen für den Streitwert allein auf die klägerischen Vorstellungen an. Der Streitwert sei ...

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