Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Anwaltsbeiordnung. Annahmeverzug. mehrere Klagen. Mutwilligkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhebt eine Partei jeweils eigenständige Zahlungsklagen auf Annahmeverzugslohn, der vom Ausgang eines noch laufenden Kündigungsrechtsstreits abhängt, kann ihr nur für den ersten Zahlungsrechtsstreit Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr ein Anwalt beigeordnet werden. Die Rechtsverfolgung in weiteren getrennten und damit wesentlich kostspieligeren Klageverfahren ist mutwillig i.S.v. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

2. In diesem Fall scheidet regelmäßig – falls der Prozessgegner anwaltlich vertreten ist – auch eine Beiordnung gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG aus, da die Ausschlusstatbestände des § 11a Abs. 2 ArbGG gegeben sind.

 

Normenkette

ArbGG § 11a; ZPO §§ 114, 121

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 09.06.2011; Aktenzeichen 2 Ca 7382/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09.06.2011, Az.: 2 Ca 7382/10, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der bei der Beklagten seit dem 26.07.2007 beschäftigte Kläger hat gegen die ihm am 24.11.2009 zum 31.12. 2009 ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und im Laufe des Kündigungsrechtsstreits durch einzelne klageerweiternde

Schriftsätze Annahmeverzugslohnansprüche für die Monate Januar bis Mai 2010 gerichtlich geltend gemacht.

Mit Endurteil vom 24.08.2010 hat das Arbeitsgericht Nürnberg (Az.: 14 Ca 9688/09) die Klage in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag und die geltend gemachten Annahmeverzugslohnansprüche abgewiesen. Hiergegen ist vom Kläger Berufung eingelegt worden (Az.: 4 Sa 713/10).

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels (TR 24-100 ab 75) Anwendung. Dieser regelt in § 18, dass Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind und im Falle der Ablehnung durch die Geschäftsleitung oder dem Ablauf der Erklärungsfrist von zwei Wochen innerhalb weiterer zwei Monate Klage zum Arbeitsgericht zu erheben ist. Die Vergütung wird am letzten Werktag eines Monats fällig, § 12 Abs. 6 Satz 1 MTV.

Der Kläger hat den Annahmeverzugslohn für die Monate Juni bis August 2010 mit einer eigenständigen Zahlungsklage (Az.: 2 Ca 5551/10) gerichtlich geltend gemacht.

Mit weiteren selbständigen Klagen hat er den Annahmeverzugslohn für den Monat September 2010 mit Schriftsatz vom 30.11.2010 (Az.: 2 Ca 7382/10), den Annahmeverzugslohn für den Monat Oktober 2010 mit Schriftsatz vom 16.12.2010 (Az.: 2 Ca 7755/10), den Annahmeverzugslohn für den Monat November 2010 mit Schriftsatz vom 28.01.2011 (Az.: 2 Ca 574/11), den Annahmeverzugslohn für den Monat Dezember 2010 mit Schriftsatz vom 28.02.2011 (Az.: 2 Ca 1257/11), den Annahmeverzugslohn für den Monat Januar 2011 mit Schriftsatz vom 28.03.2011 (Az.: 2 Ca 1911/11) und den Annahmeverzugslohn für den Monat Februar 2011 mit Schriftsatz vom 28.04.2011 (Az.: 2 Ca 2588/11) gerichtlich geltend gemacht.

Der Zahlungsrechtsstreit 2 Ca 5551/10 ist im Hinblick auf den vorgreiflichen Kündigungsrechtsstreit zwar nicht förmlich ausgesetzt jedoch vorläufig terminlos gestellt worden. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat in diesem Verfahren mit Beschluss vom 26.05.2011 dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt T. R. zur Vertretung beigeordnet.

In allen folgenden Zahlungsrechtsstreiten hat das Arbeitsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 09. bzw. 10.06.2011 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wegen mutwilliger Prozessführung im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 15.06.2011 zugestellten Beschluss haben diese mit Telefax vom 15.07.2011 sofortige Beschwerde eingelegt und sie damit begründet, wegen der Terminlosstellung des Zahlungsrechtsstreits 2 Ca 5551/10 hätten Annahmeverzugslohnansprüche nicht fristwahrend durch einen klageerweiternden Schriftsatz geltend gemacht werden können. Insoweit hätten zur Wahrung der Ausschlussfrist die Annahmeverzugslohnansprüche jeweils durch neue Klagen geltend gemacht werden müssen.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 19.07.2011 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Rechtsmittel ist statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO.

2. Die sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet, denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht gegeben.

Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung h...

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