Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorhandwerkerzulage. Lohnsicherung. Rationalisierungsmaßnahme. Widerruf der Bestellung zum Vorhandwerker. Voraussetzungen des Anspruchs auf Lohnsicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestellung zum Vorhandwerker darf nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund widerrufen werden.

2. Die durch den Widerruf erzielte Einsparung von Haushaltsmitteln kann ein berechtigtes Anliegen darstellen.

3. Eine Rationalisierungsmaßnahme i. S. d. TV über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder liegt vor, wenn sie die Qualität oder Quantität der Arbeit erhöhen soll oder wenn die Arbeit mit weniger Hilfsmitteln, weniger Zeit oder weniger Kosten erledigt werden soll. Dies muss nicht unbedingt mit der Einsparung von Arbeitskräften verbunden sein.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611; TV Lohngruppenverzeichnis zum MZArb; TV über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder

 

Verfahrensgang

ArbG Lingen (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 2 Ca 217/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 3. September 2008 – 2 Ca 217/08 – teilweise abgeändert:

Unter Klagabweisung im Übrigen wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 19. August 2007 die Lohnsicherung gemäß § 6 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 in der Fassung vom 2. April 2002 zu gewähren, und dass die Beklagte ferner verpflichtet ist, die sich ergebenden Unterschiedsbeträge mit jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit zu verzinsen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Widerruf seiner Bestellung zum Vorhandwerker unwirksam sei, und die Zahlung der sich hieraus ergebenden tariflichen Zulagen. Hilfsweise stützt er seinen Zahlungsanspruch auf den Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder.

Der Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten an der W. D. in M. als Arbeiter eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für die Arbeiter des Bundes geltenden Tarifverträge Anwendung. Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 bestellte ihn die Beklagte zum Vorhandwerker und zahlte ihm eine Vorhandwerkerzulage in der tariflichen Höhe von zuletzt 229,17 Euro brutto monatlich. Mit Wirkung vom 1. April 2007 stieg der Kläger in die Entgeltgruppe 8 TVöD auf.

Nach einer Überprüfung im Jahre 2005 kam die Beklagte zu dem Ergebnis, die Voraussetzungen für die Vorhandwerkerbestellung seien beim Kläger nach wie vor gegeben. Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes und einer daraufhin durchgeführten weiteren Überprüfung widerrief sie jedoch mit Schreiben vom 17. Juli 2007 die Vorhandwerkerbestellung. Sie führte aus, drei der fünf dem Kläger unterstellten Arbeitnehmer verrichteten Tätigkeiten als Bediener von CNC-gesteuerten Maschinen und seien in Entgeltgruppe 9 TVöD eingereiht. Sie arbeiteten überwiegend selbständig; die noch erforderliche allgemeine und fachliche Aufsicht könne durch den Werkstattmeister wahrgenommen werden. Seit dem 19. August 2007 erhält der Kläger die Vorhandwerkerzulage nicht mehr.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Widerruf sei unwirksam, so dass er Feststellung dieser Unwirksamkeit und der Zahlungspflicht beanspruchen könne. Seine Tätigkeit habe sich nicht verändert, insbesondere nicht nach der Überprüfung aus dem Jahre 2005. Er übe nach wie vor die Aufsicht aus, koordiniere die Maschinenarbeiten, erteile Anweisungen bei schwierigen Arbeitsgängen und führe die Aufsicht über die Schleif- und Gravurarbeiten sowie bei der Herstellung und Instandhaltung von Werkzeugen.

Er hat beantragt,

  1. festzustellen, dass der Widerruf der Bestellung zum Vorhandwerker nach § 3 Abs. 4 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder mit Schreiben vom 27. Juli 2007 unwirksam ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den 19. August 2007 hinaus die Vorhandwerkerzulage in Höhe von monatlich 229,17 Euro brutto zu zahlen und die Nachzahlungsbeträge jeweils mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit zu verzinsen sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 90 Prozent der Vorhandwerkerzulage als Jahressonderzulage (206,25 Euro), zahlbar zum 30. November 2007 und dann fortlaufend zum 30. November eines Jahres, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Widerruf der Vorhandwerkerzulage sei aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Die Arbeitnehmer B., Sp. und Wi. bedienten selbständig die CNC-gesteuerten Maschinen. Die noch verbleibende Aufsicht könne durch den Werkstattleiter erfolgen. Nach einem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung müsse die Vorhandwerkerfunktion überwiegend, also mit mehr als der Hälfte der reg...

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