Entscheidungsstichwort (Thema)

Lehrkraft an einer Berufsfachschule. Arbeitnehmereigenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die mit einem Lehrhrauftrag verpflichtete „freie Mitarbeiterin” an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule kann abhängig von den Umständen des Einzelfalls Arbeitnehmerin sein.

 

Normenkette

BGB § 611; HGB § 84

 

Verfahrensgang

ArbG Hameln (Urteil vom 27.03.2001; Aktenzeichen 1 Ca 399/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 27.3.01 – 1 Ca 399/00 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin und den Fortbestand des bisherigen Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis über den 14.9.2000 hinaus.

Die Klägerin, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, begann als angestellte Apothekerin in O. ab April 1990 mit der Erteilung von Unterricht an der staatlich anerkannten Berufsfachschule der Beklagten in verschiedenen Fächern der Ausbildung zum/zur PTA. Die Parteien schlossen semesterbezogen befristete Verträge, zuletzt den Vertrag vom 15.3.2000, in dem die Klägerin als freie Mitarbeiterin den Lehrauftrag in den Fachgebieten „Chemisches Praktikum” und „Medizinproduktekunde” übernahm. In dem Vertrag heißt es weiter: Der freie Mitarbeiter ist bei der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Er kann auch seinen Arbeitsort frei bestimmen, wobei sich die Parteien darüber einig sind, dass ein Großteil der zum Tätigkeitsgebiet des freien Mitarbeiters gehörenden Aufgaben aus organisatorischen Gründen am Sitz der Schulen … B. in … B. erledigt werden muss.

Dieser auf den 14.9.2000 befristete Arbeitsvertrag sah ein Unterrichtsstunden-Honorar von DM 45,– bei bis zu 16 Unterrichtsstunden pro Woche vor, wobei der Umfang und die Art und Weise der Tätigkeit im Einzelfall abgesprochen werden sollten. Zusätzlich erhielt die Klägerin eine Fahrtkostenerstattung.

Die Klägerin hat mit ihrer am 18.9.2000 beim Arbeitsgericht eingereichten und der Beklagten am 21.9.2000 zugestellten Klage die Auffassung vertreten, es habe in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis bestanden mit unwirksamer Befristungsvereinbarung.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass

  1. zwischen der Klägerin und der Beklagten ein abhängiges Arbeitsverhältnis bestehe, und
  2. das Arbeitsverhältnis über den 14.9.2000 fortbestehe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin habe Lehraufträge nur in den Fächern ihrer Wahl übernommen, sei weder weisungsgebunden noch in die betriebliche Organisation eingebunden gewesen und habe auch die Unterrichtszeit vorgegeben. Bis auf die Teilnahme an Examenskonferenzen habe keine Teilnahmepflicht an Konferenzen bestanden. Für das Chemische Praktikum zusammen mit einer freiberuflich tätigen Assistentin in der Zeit von 9:45 Uhr bis 15:00 Uhr hätten die Zeitwünsche beider Honorarkräfte aufeinander abgestimmt werden müssen, womit die Klägerin einverstanden gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 27.3.2001 der Klage stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand und wegen der Würdigung dieses Vorbringens auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 27.4.2001 zugestellte Urteil am 25.5.2001 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.7.2001 am 23.7.2001 begründet.

Die Beklagte macht geltend, aus der Unterrichtstätigkeit der Klägerin für ihre Berufsfachschule könne nicht auf die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin geschlossen werden. Maßgeblich für die erforderliche Abhängigkeit sei ein verbindlicher Stundenplan, die Ausübung des Weisungsrechts des Schulträgers einschließlich der Vertretung, methodisch-didaktische Weisungen des Schulträgers an den Dozenten und der Abschluss eines nicht auf den jeweiligen Kursus beschränkten Vertrags. In diesem Sinne sei die Klägerin nicht persönlich abhängig gewesen. Die Beachtung der Rahmen-Richtlinien habe nur die vertraglich geschuldete Dienstleistung konkretisiert. Auf methodisch-didaktische Anweisungen habe sie gegenüber den auf Honorarbasis beschäftigten Lehrkräften verzichtet. Bei der Aufstellung des Stundenplans seien die Wünsche und Vorstellungen der Klägerin berücksichtigt worden. Die Bindung der Klägerin an den Unterrichtsort besage nichts über eine persönliche Abhängigkeit. Die Klägerin habe ihre Arbeitszeiten vorgegeben. Deren Vorgabe, nicht vor 9:45 Uhr ihre Vorlesungen bzw. Praktika zu beginnen, habe insofern zu Schwierigkeiten geführt, als das von ihr geleitete Chemische Praktikum bis ca. 15:00 Uhr andauerte und das Examenssemester anschließend noch bis 16:45 Uhr theoretischen Unterricht zur Medizinproduktekunde erhalten musste. Dies hätte die Beklagte bei einem angestellten Lehrer nicht akzeptiert. Während des laufenden Wintersemesters 1997/1998 habe die Klägerin ihre Vortra...

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