Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizeitausgleich für teilzeitbeschäftigtes Mitglied der Mitarbeitervertretung bei Teilnahme an Schulungsveranstaltung der Evangelischen Kirche Niedersachsen

 

Leitsatz (amtlich)

1.Einem teilzeitbeschäftigten Mitglied der Mitarbeitervertretung, dass durch die Teilnahme an Tagungen oder Lehrgängen gem. § 19 Abs 3 des Kirchengesetzes der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen (Mitarbeitervertretungsgesetz MVG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 06. März 1996 (MVG K), die für die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung erforderliche Kenntnisse vermitteln, über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird, ist Freizeitausgleich in entsprechendem Umfang zu gewähren.

2. Der entsprechende Freizeitausgleichsanspruch folgt aus § 611 BGB i. V.m. § 4 Abs 1 Satz 1 TzBfG, dessen Anwendungsbereich unbeschadet der Verfassungsgarantie des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV aufgrund der getroffenen Rechtswahl des privatrechtlich gestalteten Arbeitsverhältnisses eröffnet ist.

 

Normenkette

Kirchengesetz der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen; TzBfG § 19 Abs. 3, § 4 Abs. 1 S. 1; GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; BGB § 611 Abs. 1; MVG Evangelische Kirche Nds § 19 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 19.02.2014; Aktenzeichen 1 Ca 335/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 19. Februar 2014 abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit liegenden Anteile der Mitarbeitervertreterschulung vom 04.06.2012 bis zum 08.06.2012 zum Thema "MAV-Arbeit von und für Frauen" Freizeitausgleich in Höhe von 18,50 Stunden unter Fortzahlung der Vergütung und ohne Anrechnung des Urlaubs zu gewähren.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der teilzeitbeschäftigten Klägerin, die Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Mitarbeitervertretung ist, ein Anspruch auf Freizeitausgleich, hilfsweise Vergütung für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit zusteht.

Die Klägerin steht seit 1999 bei der Beklagten, die Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche D-Stadt e. V. ist und in A-Stadt einen ambulanten Dienst und eine stationäre Pflegeeinrichtung mit ca. 100 Mitarbeitern betreibt, in einem Arbeitsverhältnis. Kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme finden die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen (AVG-K) Anwendung. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin, die zunächst als Helferin in der Küche und seit 2009 als Mitarbeiterin in der Hauswirtschaft tätig ist, beträgt seit dem Jahr 2009 20 Stunden. Hierfür bezieht sie ein Entgelt nach der Entgeltgruppe E 2 AVR-K in Höhe von 889,29 € brutto (monatliches Grundgehalt ohne Zulagen). Im Falle einer Vollzeitbeschäftigung mit 38,5 Wochenarbeitsstunden würde sich das monatliche Bruttoentgelt auf 1.711,88 € belaufen. Bei der Beklagten besteht eine fünfköpfige Mitarbeitervertretung (künftig: MAV), deren Mitglieder im Jahr 2012 alle Teilzeit beschäftigt waren. Derzeit besteht die MAV aus 4 Teilzeit- und 1 Vollzeitarbeitnehmerin. Vom 04.06.2012 bis zum 08.06.2012 nahm die Klägerin, die seit ca. 7 Jahren Mitglied der MAV ist, an dem Wochenseminar zum Thema "MAV-Arbeit von und für Frauen" in D. teil. Dieses begann Montag, den 04.06.2012 gegen 10.00 Uhr und endete um 18.30 Uhr. Von Dienstag bis Freitag begann der Unterricht jeweils um 9.00 Uhr und endete um 18.30 Uhr, am Freitag bereits um 13.00 Uhr. Die Fahrzeit für die Hin- und Rückfahrt betrug am Montag und Freitag ca. 1 Stunde jeweils. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass es sich hierbei um einen nach § 19 Abs. 3 S. 1 MVG-K erforderlichen Lehrgang handelte. Auch wurde der Klägerin die dafür notwendige Arbeitsbefreiung ohne Minderung ihrer Teilzeit-Bezüge gewährt. Allerdings musste die teilzeitbeschäftigte Klägerin einen Teil ihrer Freizeit einbringen und zwar 18,5 Stunden mehr als sie dies bei Vollzeitbeschäftigung hätte tun müssen. Insoweit hat die Beklagte zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 00.00.2014 erklärt, dass die vollzeitbeschäftigte Mitarbeitervertreterin bei einem einwöchigen Seminar ihre volle Arbeitszeit von 38,5 Stunden vergütet bekäme.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit den Schreiben vom 00.00.2012 sowie 00.00.2012 (Anlagen K 3 und K 4 zur Klageschrift, Bl. 13 und 14 d. A.) begehrt die Klägerin mit ihrer am 00.00.2013 bei dem Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen und der Beklagten am 00.00.2013 zugestellten Klage die Gewährung bezahlten Freizeitausgleichs im Umfang von 18,5 Stunden für die außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit (20 Wochenstunden) liegenden Anteile der Mitarbeitervertretungsschulung bis zum Umfang einer Vollzeitbeschäftigu...

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