Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesellschafterdarlehen. Insolvenz. Lohnanspruch. Mitgesellschafter. Stundung. Zahlungsklagen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Macht ein Arbeitnehmer einer GmbH, deren Mitgesellschafter er zu einem Drittel ist, über mehrere Jahre offene Nettolohnansprüch nicht geltend, ist das als Stundung der Forderung zu qualifizieren, die einem Gesellschafterdarlehn wirtschaftlich entspricht i.S.v. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Auf die früher relevanten Merkmale der „Krise der Gesellschaft” oder der „fehlenden Kreditwürdigkeit” zum Zeitpunkt der Rechtshandlung kommt es nach Inkrafttreten des MoMiG für Insolvenzverfahren, die nach dem 01.11.2008 eröffnet worden sind, nicht mehr an.

2. Diese Forderung kann als nachrangige Insolvenzforderung nur auf besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts nach Maßgabe von § 174 Abs. 3 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet werden.

 

Normenkette

BGB § 611; InsO § 174 Abs. 3, § 39 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Lingen (Urteil vom 20.07.2011; Aktenzeichen 2 Ca 603/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 20.07.2011 – 2 Ca 603/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren im wesentlichen über die insolvenzrechtliche Einordnung von Gehaltsforderungen des Klägers, der zugleich Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin ist, aus einem zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin.

Wegen der genauen Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 2 bis 5, Bl. 179 bis 182 d. Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Urteil vom 20.07.2011 hat das Arbeitsgericht Lingen die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Tenorierung wird auf den Urteilstenor (Bl. 178 d. Gerichtsakte), soweit es die rechtliche Würdigung anbelangt, wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 5 und 6 desselben, Bl. 182 und 183 d. Gerichtsakte) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 25.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 08.08.2011 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit dem am 12.08.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht die von ihm angemeldeten Gehaltsforderungen für den Zeitraum vom 01.01.2006 – 30.09.2009 zu Unrecht als Gesellschafterbeiträge beziehungsweise Forderungen, die ein Gesellschaftsdarlehen wirtschaftlich entsprechen würden, qualifiziert habe. Der Kläger habe keineswegs monatliche Abrechnungen über die von ihm nunmehr geltend gemachten Lohnansprüche erhalten. Diese habe die Gegenseite erst im Rahmen eines Vergleiches herausgegeben. Die Zahlung der Löhne sei dem Kläger auch immer wieder versichert worden. Er habe sich darauf verlassen, bis schließlich das Arbeitsverhältnis gekündigt worden sei. Die dem Grunde nach unstreitigen Lohnforderungen könnten nicht in wirtschaftlich einem Gesellschaftsdarlehen entsprechende Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO umgekrempelt werden. Der Kläger habe sich Anfang 2009 für seine Arbeitgeberin verbürgt. Diese Bürgschaft stehe einem Gesellschaftsdarlehen gleich, nicht aber die hier streitgegenständlichen Lohnforderungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 20.07.2011, 2 Ca 603/10, abzuändern und festzustellen, dass die Forderung des Klägers in Höhe von 52.615,74 EUR im Rahmen des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht A-Stadt zum Geschäftszeichen 18 IN 21/10 zur Insolvenztabelle festzustellen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und trägt dazu nachstehendes vor:

Das Stammkapital der habe 30.000,00 EUR betragen. Hieran sei der Kläger als Gesellschafter mit einer Stammeinlage in Höhe von 10.000,00 EUR also zu einem Drittel beteiligt gewesen. Bereits die Gesamthöhe der Forderung von 52.615,74 EUR belege, dass es sich hier nicht um das Auflaufen von Forderungen eines einfachen Mitarbeiters gehandelt habe. Kein Arbeitnehmer käme auf die Idee, ansonsten seine Lohnforderungen so lange zu stunden, bis Gesamtforderungen in Höhe von 52.000,00 EUR aufgelaufen seien. Der Kläger sei nicht nur Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin gewesen, sondern bei dieser auch in leitender Position als Kfz-Meister tätig gewesen. Darüber hinaus habe sich der Kläger nach seinem eigenen Vortrag neben seiner gesellschaftlichen Beteiligung im Jahre 2009 auch noch für die verbürgt. Auch dies unterstreiche seine starke Gesellschafterstellung. Der Kläger sei also nicht nur mit 10.000,00 EUR an dem nur 30.000,00 EUR betragenden Stammkapital beteiligt, darüber hinaus habe er sich für das Unternehmen verbürgt und seine Forderung für geleistete Arbeiten gestundet. Die gestundeten Forderungen für die Arbeitsleistung seien als Gesellschaftsdarlehen zu qualifizieren. Als solche seien sie nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

Wegen der weiteren Einzel...

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