Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktversicherung. Insolvenz. Ersatzaussonderungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Arbeitnehmer, auf dessen Leben eine Direktversicherung unter Einräumung eines eingeschränkt widerruflichen Bezugsrechts abgeschlossen ist, steht in der Insolvenz seines Arbeitgebers auch dann ein Aussonderungsrecht zu, wenn die im Vorbehalt genannten Unverfallbarkeitsfristen noch nicht abgelaufen sind. Der Zweck dieses Vorbehalts entfällt in der Insolvenz (vgl. BGH 03.05.2006, IV ZR 134/05, ZIP 2006, S. 1309 und BAG, 26.06.1990, 3 AZR 651/88, AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG – Lebensversicherung).

 

Normenkette

BetrAVG § 1b

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 06.04.2006; Aktenzeichen 11 Ca 555/05 B)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.04.2006 – 11 Ca 555/05 B – wird kostenpflichtig nach einem Wert von 15.649,70 EUR zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um ein Ersatzaussonderungsrecht der Klägerin hinsichtlich einer zu ihren Gunsten abgeschlossenen Direktversicherung in der Insolvenz ihrer früheren Arbeitgeberin.

Die 1958 geborene Klägerin war vom 01.05.2000 bis zum 31.03.2005 bei der T. AG tätig, über deren Vermögen am 17.12.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten.

Die Schuldnerin war Versicherungsnehmerin einer auf das Leben der Klägerin abgeschlossenen Lebensversicherung mit der Versnr. 0… Diese Versicherung bestand seit dem 01.12.1985, zunächst unter der Versicherungsnummer 1…, seit 1996 unter der Nr. 5…. Sie wurde von der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin, der Firma I. GmbH, bei der die Klägerin seit dem 01.12.1984 tätig war, abgeschlossen. Der Klägerin war darin ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, das unter folgendem Vorbehalt stand:

Dem Arbeitgeber bleibt das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn

  • das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, es sei denn, der Versicherte hat das 35. Lebensjahr vollendet und entweder die Versicherung hat 10 Jahre oder das Arbeitsverhältnis 12 Jahre und die Versicherung 3 Jahre bestanden
  • der Versicherte Handlungen begeht, die den Arbeitgeber berechtigen, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen.

Betriebszweck der I. GmbH ist die Entwicklung von Hard- und Software und der Vertrieb kartographischer EDV-Programme. In der Folgezeit wechselten die Arbeitgeber der Klägerin wiederholt, ohne dass sich ihre Tätigkeit oder ihr Arbeitsort änderten. Die Klägerin schied zum 30.06.1990 aus dem Arbeitsverhältnis mit der I. GmbH aus und trat zum 01.07.1990 in ein Arbeitsverhältnis mit der I. vertrieb GmbH ein. Diese ist eine 100%ige Tochter der I. GmbH und hat ihren Sitz am selben Ort wie die I. GmbH. In sie wurde der Vertrieb der I. GmbH ausgegliedert, alle Arbeitnehmer, die wie die Klägerin im Vertrieb tätig waren, wurden von der I. vertrieb GmbH eingestellt. In der Aufstellung über die Bezüge der Klägerin in der Anlage zum Arbeitsvertrag mit der I. vertrieb GmbH vom 29.06.1990, auf den im Übrigen verwiesen wird (Bl. 119 – 123 d. A.), ist unter Ziffer 3 geregelt:

Die bereits bestehende Lebensversicherung bei der I. mit einer monatlichen Prämie in Höhe von DM 100,– wird von der I. vertrieb ab dem 01.07.1990 übernommen.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Mitarbeiter, auch vor Eintritt der dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen, diese Lebensversicherung übernehmen und selbst oder im Rahmen eines anderen Arbeitsverhältnisses weiterführen.

Ausweislich des Nachtrags vom 30.08.1990 zur auf das Leben der Klägerin geschlossenen Lebensversicherung (Bl. 192 d. A.) wurde Versicherungsnehmerin die I. vertrieb GmbH. Die Klägerin schied aus diesem Arbeitsverhältnis zum 30.07.1996 aus und begründete am 01.08.1996 ein Arbeitsverhältnis mit der T. Verlag GmbH. Auch diese hat denselben Geschäftssitz wie die I. GmbH. Ihr Betriebszweck ist die Weiterentwicklung einfacher Produkte und der Vertrieb kartographischer Produkte. Im Arbeitsvertrag, auf den im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 115 – 118 d. A.), ist unter § 11 – Vergütung geregelt:

Darüber hinaus übernimmt der Arbeitgeber die zusätzliche Zahlung in Höhe von DM 100,– monatlich für die bereits bestehende Direktversicherung des Arbeitnehmers.

Am 30.09.1996 zeigte die I. vertrieb GmbH einen Versicherungsnehmerwechsel auf die T. Verlag GmbH an (Bl. 197 d. A.). Mit Schreiben vom 19.09.1996, auf das Bezug genommen wird (Bl. 18 f. d. A.), teilte die Versicherungsgesellschaft der I. vertrieb GmbH mit, dass die Klägerin nach ihren Unterlagen eine unverfallbare arbeitsrechtliche Anwartschaft erworben habe, und wies auf die Möglichkeit des Wahlrechts nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BetrAVG hin. Zugleich bat sie um Rückreichung des Formulars „Versicherungsnehmerwechsel...

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