Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungsklagen. Änderungskündigung. CGZP. Dienstwagen. einzelvertragliche Ersetzungsbefugnis. equal-pay. mehrgliedriger Tarifvertrag. Zahlungsklage eines Leiharbeitnehmers auf Differenzvergütung zur Stammbelegschaft. geldwerter Vorteil durch Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung. Benachteiligung des Arbeitnehmers durch einseitiges Recht der Arbeitgeberin zur Änderung des maßgeblichen Tarifvertrags. unwirksame Änderungskündigung zur Vereinheitlichung des Tarifrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die einzelvertragliche Ermächtigung des Arbeitgebers, einseitig den im Arbeitsverhältnis maßgeblichen Tarifvertrag zu ändern, stellt eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

2. Das Interesse des Arbeitgebers an der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in seinem Betrieb (einheitliches Tarifrecht) begründet kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG.

3. Bei der Berechnung des Anspruchs auf Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen nach §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2 AÜG, ist der geldwerte Vorteil zu berücksichtigen, den der Arbeitnehmer dadurch erlangt, dass ihm vom Verleiher ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung überlassen wird.

4. Die richtlinienkonforme Auslegung von § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG ergibt, dass dann, wenn der Entleiher im Aufgabengebiet des Leiharbeitnehmers keine eigenen Stammkräfte, sondern ausschließlich Leiharbeitnehmer einsetzt, der Leiharbeitnehmer die Vergütung beanspruchen kann, die für ihn gelten würde, wenn er vom Entleiher für die gleiche Aufgabe eingestellt worden wäre.

 

Normenkette

AÜG §§ 10, 13, 9; CGZP; KSchG § 2; AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 308 Nr. 4, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 23.11.2011; Aktenzeichen 2 Ca 263/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.02.2014; Aktenzeichen 5 AZR 1047/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 23.11.2011 - 2 Ca 263/11 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten von 28.06.2011 sozial ungerechtfertigt ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.830,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 12 % und die Beklagte zu 88 % zu tragen.

Im Hinblick auf die Zahlungsansprüche wird die Revision für beide Parteien zugelassen. Im Hinblick auf die Änderungskündigungsschutzklage wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eine Änderungskündigung vom 28.06.2011 und Entgeltansprüche des Klägers aus dem Gesichtspunkt "Equal-Pay" für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.08.2011.

Der am 00.00.1960 geborene Kläger verfügt über eine Ausbildung als Facharbeiter für Warenbewegung und als Berufskraftfahrer.

Gegenstand des Betriebes der Beklagten ist die Arbeitnehmerüberlassung. Sie beschäftigt ca. 1.300 Arbeitnehmer. Der Kläger ist seit dem 27.10.2003 für die Beklagte tätig und zwar auf Grundlage des Anstellungsvertrages vom 21.02.2005. Dieser beinhaltet u. a. nachstehende Regelungen:

"1. Gegenstand und Bezugnahme auf Tarifvertrag

...

Absatz 3

Der Mitarbeiter ist eingestellt als kaufmännische Angestellte/r.

...

Absatz 5

Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen der Interessengemeinschaft Nordbayrischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag (ETV) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).

Absatz 6

Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der Interessengemeinschaft Nordbayrischer Zeitarbeitsunternehmen e.V. (INZ). In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.

...

14. Ausschluss von Ansprüchen

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftliche geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten...

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