Entscheidungsstichwort (Thema)

Anlernvertrag. Ausbildungsberuf. Ausbildungsordnung. Mindestlohn. Umdeutung. Ausbildungsverhältnis. Nichtigkeit eines Anlernvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinabrung eines Anlernvertrages, der ausdrücklich darauf gerichtet ist, Grundkenntnisse und Fertigkeiten für den Beruf Maler und Lackierer zu vermitteln, ist wegen Verstoßes gegen die §§ 25 Abs. 2 HandwO, 4 Abs. 2 BBiG gemäß § 134 BGB nichtig.

2. Eine Umdeutung des nichtigen Anlernvertrages in ein Berufsausbildungsverhältnis mit der Folge, dass der Beklagte lediglich die tarifliche Ausbildungsvergütung als übliche Vergütung schuldet, ist nicht möglich.

3. Die Klägerin für ihre Tätigkeit einen Anspruch auf die Vergütung, die sich aus den Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung eines Mindestlohnes für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk ergibt.

 

Normenkette

HandwO § 25 Abs. 2; BBiG § 4 Abs. 2; BGB § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 21.03.2007; Aktenzeichen 1 Ca 27/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.07.2010; Aktenzeichen 3 AZR 317/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 21.03.2007, 1 Ca 27/07, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.803,47 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 68 % und der Beklagte zu 32 %.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von den Parteien abgeschlossenen so genannten Anlernvertrages und dabei insbesondere über die Frage, ob der Klägerin lediglich die in diesem Vertrag vereinbarte Vergütung oder aber der Mindestlohn für ungelernte Arbeitnehmer im Malerhandwerk nach dem Mindestlohn-Tarifvertrag zusteht.

Die 1984 geborene Klägerin war zunächst vom 01.03.2005 bis 31.08.2005 bei dem beklagten Malermeister im Rahmen eines Vertrags über eine Einstiegsqualifizierung zum Ausbildungsberuf Malerin und Lackiererin vom 05.03.2005 (Bl. 5, 6 d.A.) tätig. Ziel dieses Vertrages war die Vermittlung von Grundkenntnissen und -fertigkeiten, die für den Einstieg in eine Berufsausbildung förderlich sind.

Im Anschluss hieran bot der Beklagte der Klägerin den Abschluss eines Berufsausbildungsvertrages an. Die Klägerin lehnte dies ab, weil sie nicht zur Berufsschule gehen wollte.

Die Parteien schlossen sodann für die Zeit vom 01.09.2005 bis zum 31.08.2007 einen „Anlernvertrag für die Vermittlung von Grundkenntnissen und Fertigkeiten in dem Beruf: Maler- und Lackiererin – Gestaltung und Instandhaltung –”. Ziel dieses Vertrages war „die Vermittlung von Grundkenntnissen und Fertigkeiten in Anstricharbeiten innen und außen, Tapezieren, Objektlackierungen, Wärmedämmarbeiten, Gerüstaufbau, Bodenbelagsarbeiten, Trockenbau und Putzarbeiten”. Es wurde eine monatliche Vergütung von 550,00 EUR brutto vereinbart.

Von diesem Anlernvertrag existieren 2 unterschiedliche Exemplare. Der von der Klägerin vorgelegte Vertrag (Bl. 7, 8 d.A.) regelt die Arbeitszeit in § 5 wie folgt:

Die Ausbildungszeit beträgt 8 Stunden täglich. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.

Die entsprechende Passage in dem von dem Beklagten vorgelegten Vertrag (Bl. 23, 24 d.A.) lautet:

Die Ausbildungszeit beträgt 5 Stunden täglich. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 25 Stunden. Bei Bedarf wird die Möglichkeit einer variablen Arbeitszeit vereinbart.

Die Klägerin schloss zudem mit der Ehefrau des Beklagten für die Zeit ab 01.09.2005 einen Arbeitsvertrag als Haushaltshilfe und zur Gartenpflege (Bl. 24 d.A.), der eine regelmäßige Arbeitszeit von „monatlich ca. 45 Stunden” bei einem Stundenlohn von 7,50 EUR brutto vorsieht.

Für den Bereich des Maler- und Lackiererhandwerks gibt es einen Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohnes (Bl. 36 – 40 d.A.), der für ungelernte Arbeitnehmer einen Mindestlohn von 7,85 EUR brutto vorsieht. Ungelernte Arbeitnehmer arbeiten hiernach unter Aufsicht und Anleitung (insbesondere von Gesellen bzw. Vorarbeitern) und führen einfache Hilfstätigkeiten aus.

Dieser Tarifvertrag findet gemäß einer Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit aufgrund des § 1 Abs. 3 a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (Bl. 34, 35 d.A.) Anwendung auch für alle nicht gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Betrieben des Maler- und Lackiererhandwerks.

Die tarifliche Ausbildungsvergütung für den anerkannten Ausbildungsberuf zum Maler und Lackierer beträgt im ersten Lehrjahr 342,00 EUR, im zweiten Lehrjahr 373,00 EUR und im dritten Lehrjahr 483,00 EUR.

Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin in der Zeit vom 01.09.2005 bis zum 13.10.2006 verrichteten Tätigkeiten wird Bezug genommen auf die zu den Gerichtsakten gereichten Stundenzettel (Bl. 50 – 262 d.A.).

In der Zeit vom 16.10.2006 bis zum 13.11.2006 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Sie kündi...

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