Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf Grundlage des tariflichen Mindestlohns

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Festsetzung eines Mindestlohnes durch Rechtsverordnung gemäß § 7 AEntG ist der Mindestlohn Berechnungsgrundlage für die Entgeltfortzahlungstatbestände der §§, 2, 3 und 4 EntgeltfortzahlungsG und der Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs 4 BUrlG.

 

Normenkette

AEntG § 14; BGB § 611 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4; EFZG §§ 2-4; AEntG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 17.04.2013; Aktenzeichen 1 Ca 498/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen 10 AZR 191/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 17. April 2013 - 1 Ca 498/12 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.028,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

- auf 245,82 Euro seit dem 01. September 2012

- auf weitere 124,20 Euro seit dem 01. Oktober 2012 bis zum 26. März 2013

- auf weitere 225,00 Euro seit dem 01. November 2012 bis zum 26. März 2013

- auf weitere 20,82 Euro seit dem 1. November 2012

- auf weitere 212,40 Euro seit dem 01. Dezember 2012

- auf weitere 218,70 Euro seit dem 01. Januar 2013

- auf weitere 245,82 Euro seit dem 01. Februar 2013

- auf weitere 63,90 Euro seit dem 01. März 2013

- auf weitere 21,44 Euro seit dem 22. März 2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.604,12 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin.

Wegen des unstreitigen Sachverhaltes, der streitigen erstinstanzlichen Behauptungen, der konträren Rechtsauffassungen, der geltend gemachten Ansprüche sowie des gesamten erstinstanzlichen Sachstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, Bl. 2 - 4 desselben, Bl. 69 - 71 d. A. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17. April 2013 hat das Arbeitsgericht Braunschweig der Klage bis auf einen geringfügigen Zinsanspruch stattgegeben. Der tarifliche Mindestlohn sei nicht nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden bzw. im Rahmen des Urlaubsentgeltes, sondern auch bei den Entgeltfortzahlungstatbeständen der §§ 2, 3 und 4 EFZG zu zahlen. Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils, Bl. 4 - 7 desselben, Bl. 71 - 74 d. A. verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten am 21. Mai 2013 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 18. Juni 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, den 22. Juli 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Bei der Berechnung der Arbeitsvergütung der Klägerin habe sie die jeweils pro Monat zu leistenden Sollarbeitsstunden zugrunde gelegt. Hiervon habe sie die Feiertage und Tage wegen krankheitsbedingter Abwesenheit jeweils in Stunden abgezogen. Die so ermittelten Arbeitsstunden (inklusive Urlaub) habe sie mit der Mindeststundenvergütung multipliziert (wegen der einzelnen Monate wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichte Tabelle, Bl. 55 d. A. Bezug genommen). Soweit sich daraus eine Differenz zu der vertraglich vereinbarten Vergütung zugunsten der Klägerin ergeben habe, habe sie diese Beträge ausgezahlt. Am 27. März 2013 habe sie - das ist unstreitig - Restvergütung an die Klägerin in Höhe von 124,20 Euro brutto für den Monat September 2012 und in Höhe von 225,00 Euro brutto für den Monat Oktober 2012 gezahlt.

Weitere Vergütungsansprüche besitze die Klägerin nicht. Der Mindestlohntarifvertrag regele ausweislich § 2 Abs. 1 lediglich die Mindeststundenvergütung und den jährlichen Urlaubsanspruch. Das Entgeltfortzahlungsgesetz enthalte keine zwingenden gesetzlichen Arbeitsbedingungen im Sinne des § 5 AEntG, der abschließend regele, welche Arbeitsbedingungen Gegenstand eines Tarifvertrages gemäß § 3 AEntG sein könnten, der durch eine Rechtsverordnung gemäß § 7 AEntG für allgemeinverbindlich erklärt werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 17. April 2013 - 1 Ca 498/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 25. September 2013 (Bl. 110 ff. d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2013 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht...

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