Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess. Anforderungen an die Eingruppierung im Tarifvertrag Versorgungsbetriebe. Fortführung der Tätigkeit bei Abwesenheit des Schichtführers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Eingruppierungsfeststellungsklage hat der Kläger diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt.

2. Nach der Eingruppierungssystematik des Tarifvertrages Versorgungsbetriebe muss für eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe E 8 festgestellt sein, dass der Beschäftigte arbeitszeitlich mindestens zur Hälfte regelmäßig Tätigkeiten dieser Entgeltgruppe ausführt. Auch wenn das An- und Abfahren von Kraftwerksblöcken und das Eingreifen bei Störungen nur mit einer Kraftwerksprüfung zulässig und auch als anspruchsvoll und kompliziert zu bewerten ist, erfordern diese Tätigkeiten im zu entscheidenden Fall keinesfalls die Hälfte der Arbeitszeit des Klägers.

3. Wenn der Schichtführer im Störungsfall den Leitstand verlassen muss und dem Kläger die eigenständige Fortsetzung seiner Tätigkeit ohne die Anwesenheit des Schichtführers im Leitstand auferlegt, ist dies keine arbeitgeberseitige Übertragung einer über die bisherige Entgeltgruppe hinausgehenden höherwertigen Tätigkeit.

 

Normenkette

TV-V Entgeltgruppe 8; TV-V EG 7 Stufe 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 24.05.2011; Aktenzeichen 10 Ca 399/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts B-Stadt vom 24.05.2011 - 10 Ca 399/11 - abgeändert und die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.786,64 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Kläger.

Die Kläger sind seit Dezember bzw. Juli 2004 bei der Beklagten in deren Kraftwerk beschäftigt und haben beide im Jahre 2008 die Prüfung als Kraftwerker bestanden. Auf die Arbeitsverhältnisse finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung. Die Beklagte zahlt den Klägern Vergütung nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 3 TV-V.

Beide Kläger werden im Kraftwerksbetrieb eingesetzt. Nach einer von der Beklagten im Jahr 2004 erarbeiteten Stellenbeschreibung für Maschinisten/E-Kraftwerker sind die Aufgaben der Kläger wie folgt festgelegt:

Zeitanteil in %

1. Selbständiges u. verantwortl. An- u. Abfahren der Kessel-, Turbinen- u. Nebenanlagen

15

2. Überwachen und Bedienen von Hochdruckkessel-, Turbinen- und Nebenanlagen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und sonstigen Anweisungen

50

3. Lastwechsel durchführen und Verfahrensstörungen beseitigen

15

4. Durchführung und Rückstellung von Freischaltungen (verfahrens- u. elektrotechnisch) sowie Ausführen von elektrotechnischen Arbeiten (Störungsbeseitigungen)

15

5. Durchführung von Reinigungs-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten im Anlagenbereich

5

6. Sonstige Aufgaben

Kessel-, Turbinen- und Nebenanlagen sind abgrenzbare einzelne Maschinen des Kraftwerks, wo hingegen als Kraftwerksblock ein einzelnes technisch vollständiges Kraftwerk einschließlich aller Nebenanlagen bezeichnet wird.

Die Kläger werden auch beim An- und Abfahren eines Kraftwerksblocks eingesetzt. Ein derartiges An- und Abfahren eines Kraftwerksblocks erfolgt nur situationsbedingt, etwa wenn regenerative Energien ins Stromnetz gespeist werden, wenn weniger Energie benötigt wird bzw. bei Reparaturarbeiten und Störungen. Den jeweiligen Auftrag erhalten die Kläger vom Schichtleiter. Die Tätigkeitsbeschreibung des Schichtleiters sieht unter anderem den "Einsatz der Blöcke unter Beachtung des Fahrplanes und des Wärmebedarfs unter Berücksichtigung der Betriebszustände der einzelnen Anlagenteile" vor. Der Vorgang des Anfahrens des Kraftwerksblocks erfolgt in der Weise, dass alle einzelnen Komponenten, also die Feuerungsanlage, der Dampferzeuger, die Turbine, der Generator sowie die Nebenanlagen Bekohlung und Rauchgasreinigungsanlage unter Einhaltung der Betriebsparameter und Herstellervorgaben sowie nach einem Zeitstrahl nacheinander in Betrieb genommen werden. Ein solcher Prozess dauert ca. 3 bis 3 1/2 Stunden. Der Einsatz der Kläger erfolgt entweder als sogenannte Pultfahrer oder als Blockläufer. Als Pultfahrer zählt es zu den Verantwortlichkeiten, die Instrumente zu bedienen und die Teilsysteme in Betrieb zu nehmen. Der Blockläufer hingegen geht durch die Anlage, prüft die Leitungen und die Entlüftungssysteme.

Für das Anfahren selbst sind einige Voraussetzungen zu schaffen. Hierzu gehört, dass die elektrischen, leittechnischen und mechanischen Arbeiten beendet sein müssen. Zudem dürfen sich keine Personen, Werkzeuge oder Materialien mehr in den Anlageteilen befinden. Der sogenannte Rundgänger des Kraftwe...

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