Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücktritt vom Prozessvergleich über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Unbegründete Feststellungsklage des Arbeitnehmers bei tatsächlicher Erfüllung der wesentlichen Bedingungen des Prozessvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Voraussetzungen für den Rücktritt von einem Prozessvergleich über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nach BGB § 323 wegen Nichterfüllung eines Teils des Vergleichs durch den Arbeitgeber.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde. Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt ist.

2. Gemäß § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB kann der Gläubiger (Arbeitnehmer) für den Fall, dass die Schuldnerin (Arbeitgeberin) eine Teilleistung bewirkt hat, vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Nach dem Wortlaut der Norm bezieht sich § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB nur auf eine Leistungsverpflichtung.

3. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ist im Fall einer synallagmatischen Vereinbarung mehrerer Leistungspflichten auch dann (entsprechend) anzuwenden, wenn bei mehreren Leistungsverpflichtungen einer Partei gegenüber der anderen innerhalb desselben Vertrages die Erfüllung einer dieser Leistungspflichten unterbleibt. In diesem Fall ist die vollständige oder teilweise Nichterbringung der einen Leistung mit Blick auf die Leistungspflichten der Partei aus dem Vertrag insgesamt als “Teilleistung„ aufzufassen mit der Folge, dass der Rücktritt vom Vertrag auch im Hinblick auf die schon erbrachte (Teil-)Leistung erklärt werden kann, wenn an dieser kein Interesse mehr besteht.

4. Sind die wesentlichen Bedingungen eines Prozessvergleichs tatsächlich erfüllt worden, indem die vom Arbeitnehmer zuvor angestrebte Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung eingetreten ist und in seinem Interesse die Erteilung eines positiv abgefassten Zeugnisses geregelt wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer an der von der Arbeitgeberin damals erbrachten Teilleistung kein Interesse mehr hat.

5. Im Hinblick auf die Gegenleistung setzt § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB zwar neben der Teilbarkeit der Leistung des Schuldners (Arbeitnehmer) auch die Teilbarkeit der Leistung der Gläubigerin (Arbeitgeberin) voraus. Mit dem Akzeptieren einer arbeitgeberseitigen Kündigung leistet der Arbeitnehmer jedoch nichts, sondern beendet vielmehr ein Dauerschuldverhältnis mit der Folge, dass sich aus dem gegenseitigen Vertrag für ihn keine weiteren Hauptleistungsansprüche mehr ergeben und er die hieraus folgenden Hauptleistungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen muss.

 

Normenkette

BGB § 323 Abs. 5 S. 1, Abs. 1, §§ 346, 779; ZPO § 256 Abs. 1, § 278 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 07.05.2013; Aktenzeichen 7 Ca 101/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 2 AZR 716/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.05.2013 - 7 Ca 101/13 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Vergleich vom 15.02.2012 den Rechtsstreit wirksam beendet hat.

Die weiteren erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage einer Beendigung des Rechtsstreits durch einen Prozessvergleich sowie die Wirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 20.09.2011 und die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der Kläger war seit dem 01.07.2004 bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Ab Juli 2005 arbeitete er in Vollzeit als EDV-Fachkraft. Er übertrug der Insolvenzschuldnerin im Jahr 2005 eine für ihn erstellte “ERP-Entwicklerlizenz„ eines Softwareunternehmens, die ihm das Erstellen von Softwarelösungen auf Basis der Grundsoftware des Lizenzgebers ermöglichte. Im Jahr 2011 beschloss die Insolvenzschuldnerin, ihre EDV-Anlagen künftig von einem externen Dienstleister betreuen zu lassen. Mit Schreiben vom 20.09.2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Wirkung zum 30.11.2011.

Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Mit Schriftsatz vom 14.12.2011 hat er ferner einen Auflösungsantrag gestellt. Im Termin zur Kammerverhandlung am 15.02.2012 haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:

1) Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der streitgegenständlichen Kündigung der Beklagten vom 20. September 2011 aus betriebsbedingten Gründen, nämlich wegen Fremdvergabe der EDV-Betreuung, zum Ablauf des 30. November 2011 geendet hat.

2) Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §...

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