Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch. Mandantenschutzklausel. Rechtsanwalt. Verschwiegenheit. Unwirksamkeit einer zwischen Rechtsanwälten vereinbarten Mandantenübernahmeklausel. Unwirksame Mandantenübernahmeklausel und Auskunftsverpflichtung im Arbeitsvertrag eines angestellten Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine mit einem angestellten Rechtsanwalt formularmäßig vereinbarte Mandantenübernahmeklausel, nach welcher sich der angestelle Rechtsanwalt verpflichtet, "20 % der Nettohonorare, die er innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsvertrags mit Mandanten, die während des laufenden Anstellungsvertrags [vom vormaligen Arbeitgeber] betreut wurden, verdient, an [den vormaligen Arbeitgeber] abzuführen", ist unwirksam.

2. Diese Mandantenübernahmeklausel benachteiligt den angestellten Rechtsanwalt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil dieser stets 20 % der Nettohonorare abzuführen hätte, obwohl nicht sichergestellt ist, dass er selbst überhaupt mindestens in diesem Umfang an den Einnahmen aus dem Mandat beteiligt ist. Ferner folgt die unangemessne Benachteiligung daraus, dass der angestellte Rechtsanwalt dem Direktionsrecht seines neuen Arbeitgebers unterliegt und daher einen Verstoß gegen die Mandantenschutzklausel nicht allein aus eigener Entscheidung vermeiden kann.

3. Unwirksam ist auch die formularmäßig vereinbarte Verpflichtung, die in der Mandantenübernahmeklausel benannten späteren Einnahmen gegenüber dem vormaligen Arbeitgeber "pro Quartal durch Vorlage von Kopien der an die Mandanten übersandten Rechnungen nachzuweisen."

4. Dieser Auskunftsverpflichtung darf der beklagte Rechtsanwalt nicht nachkommen, weil er sonst gegen seine anwaltliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit aus § 43a Abs. 2 BRAO verstoßen würde. Die Auskunftsverpflichtung ist nicht durch § 49b Abs. 4 BRAO gedeckt, da diese Vorschrift unmittelbar nur die Abtretung von Vergütungsforderungen zwischen Rechtsanwälten regelt und eine planwidrige Regelungslücke, welche eine Analogie ermöglichen würde, nicht vorliegt.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 611 Abs. 1; BRAO § 43 a Abs. 2, § 49 b Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 20.06.2012; Aktenzeichen 4 Ca 89/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.12.2013; Aktenzeichen 10 AZR 286/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 20.06.2012 - 4 Ca 89/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Rahmen eines von der Klägerin geltend gemachten Auskunftsanspruchs streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer Mandantenübernahmeklausel.

Der Beklagte war auf Basis des Anstellungsvertrages vom 22.03.2004 in der Zeit vom 15.04.2004 bis 30.06.2011 als Rechtsanwalt bei der Klägerin, einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit Niederlassung in A-Stadt, beschäftigt.

Anlässlich einer am 06.11.2007 geschlossenen Tantiemevereinbarung unterzeichneten die Parteien darüber hinaus folgende Ergänzung ihres Anstellungsvertrages:

"Der Mitarbeiter ist verpflichtet, 20 % der Nettohonorare, die er innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsvertrages mit Mandanten, die während des laufenden Anstellungsvertrages von der Gesellschaft betreut wurden, verdient, an die Gesellschaft abzuführen. Die erzielten Honorare sind der Gesellschaft pro Quartal durch Vorlage von Kopien der an die Mandanten übersandten Rechnungen nachzuweisen. Von der vorstehenden Klausel erfasst werden nur diejenigen Mandanten, welche vom Standort A-Stadt oder dem Mitarbeiter ganz oder teilweise betreut wurden." (Bl. 8 f. d. A.)

Unmittelbar nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Klägerin nahm der Beklagte als angestellter Rechtsanwalt eine Tätigkeit für die P. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf. Diese neue Arbeitgeberin des Beklagten und die Klägerin sind in derselben Immobilie in der A-Straße in A-Stadt ansässig.

Mit Schreiben vom 27.12.2011 forderte die Klägerin den Beklagten auf, seiner in der Mandantenübernahmeklausel vom 06.11.2007 vereinbarten Auskunftspflicht Rechnung zu tragen (Bl. 12 f. d. A.). Mit weiteren Schreiben vom 19.01. und 08.02.2012 gab die Klägerin diesem Verlangen Nachdruck und setzte eine letzte Frist zum 13.02.2012. Da der Beklagte die geforderten Auskünfte nicht erteilte, reichte die Klägerin mit am 29.02.2012 beim Arbeitsgericht A.-Stadt eingegangenen Schriftsatz Stufenklage auf Auskunft und Zahlung ein.

Diese Klage stützt die Klägerin auf die Mandantenübernahmeklausel in Ziffer 6 der am 06.11.2007 geschlossenen Tantiemevereinbarung. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte für seine neue Arbeitgeberin - zumindest teilweise - dieselben Kunden rechtlich berate, welche er zuvor von Seiten der Klägerin aus betreut habe. Er sei daher verpflichtet, 20 % der Nettohonorare an die Klägerin abzuführen und der Klägerin die erzielten Honorare quartalsweise durch Vorlage von Kopien der an die Mandanten übersandten Rechnungen nachweisen.

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