Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungslose außerordentliche Kündigung eines langjährig beschäftigten Krankenpflegers bei sexueller Belästigung einer Auszubildenden

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage eines langjährigen Beschäftigten nach der Echtheit der Oberweite einer Auszubildenden und die anschließende Berührung der Brust dieser Auszubildenden stellen sexuelle Belästigungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG dar und berechtigen den Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung zur fristlosen Kündigung.

 

Normenkette

AGG § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 3; BGB § 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 19.02.2013; Aktenzeichen 8 Ca 441/12)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 19.02.2013 - 8 Ca 441/12 - und vom 15.08.2013 - 8 Ca 139/13 - abgeändert.

Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und die davon abhängige Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Annahmeverzugsvergütung.

Der verheiratete Kläger ist seit dem 01.01.1982 bei der Beklagten, die regelmäßig weitaus mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, als Krankenpfleger zu einem Bruttomonatsverdienst in Höhe von zuletzt 2.600,00 € tätig.

Am 18.10.2012 informierte die Auszubildende für den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin, Frau D., geboren 1993, die Stationsleitung und den Pflegefachleiter darüber, dass sie vom Kläger am 15. und 16.10.2012 sexuell belästigt worden sei. Der Kläger habe sie zunächst am 15.10.2012 während der Frühschicht im Frühstücksraum, in dem sie sich alleine aufgehalten hätten, auf ihre Oberweite angesprochen und gefragt, ob diese "echt" sei und er ihre Brüste berühren dürfe. Am 16.10.2012 habe der Kläger Frau D. dann in einem Nebenraum in den Arm genommen, ihr an die Brust gefasst und versucht, sie zu küssen. Dieser Situation habe sich Frau D. entziehen können.

Die Personalabteilung der Beklagten hörte den Kläger am 18.10.2012 zu diesen Vorwürfen an. Wegen der dabei vom Kläger abgegebenen Erklärungen wird auf den Vermerk der Beklagten vom 19.10.2012 (Bl. 26 und 27 d.A.) Bezug genommen.

Am 19.10.2012 hörte die Beklagte die Auszubildende zur vom Kläger abgegebenen Stellungnahme an. Diese hielt an ihrer Sachverhaltsdarstellung fest und teilte mit, dass sie zwischenzeitlich Strafanzeige gegen den Kläger erstattet habe.

Mit Schreiben vom 24.10.2012, wegen dessen Inhalt auf Blatt 29 bis 33 der Akte Bezug genommen wird, hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur außerordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung des Klägers mit sozialer Auslauffrist an.

Am 25.10.2012 erklärte der Betriebsrat der Beklagten, dass er nach vorheriger Beratung die vorgesehene Kündigung des Klägers zur Kenntnis nehme. Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 01.11.2012, welches dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, die außerordentliche Kündigung, hilfsweise mit Auslauffrist zum 30.06.2013 (Bl. 6 und 7 d.A.) aus.

Seit dem 01.11.2012 zahlt die Beklagte keine Vergütung an den Kläger.

Mit seiner am 02.11.2012 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen Klage - 8 Ca 461/12 - begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 01.11.2012. Mit der am 06.03.2013 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen Klage - 8 Ca 139/13 nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Arbeitsvergütung für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zuletzt zum 30.06.2012 abzüglich des in diesem Zeitraum erhaltenen Arbeitslosengeldes in Anspruch.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung der Beklagten vom 01.11.2012 unwirksam sei. Dazu hat er mit Schriftsatz vom 04.01.2013 zunächst behauptet, dass die volljährige Auszubildende Frau D., welche dem Kläger weder anvertraut noch untergeordnet gewesen sei, am 15.10.2012 in der Frühstückspause um ca. 8:30 Uhr begonnen habe, mit ihm zu flirten. Sie habe ihn angelächelt, ihm zugezwinkert und provokativ mehrfach ihre Brüste mit beiden Händen unterfasst und in seine Blickrichtung hochgehoben. Dies hätten auch andere Kollegen mitbekommen, die am Tisch gesessen hätten. Nachdem der Kläger mit Frau D. allein im Raum gewesen sei, habe diese unverändert ständig ihre Bürste mit den Händen hochgehoben und provokativ nach vorne gedrückt. Schließlich habe sie den Kläger gefragt: "Alles echt! Willste mal anfassen?". Dieser Einladung sei der Kläger gefolgt und habe einmalig mit seiner linken Hand die rechte Brust von Frau D. angefasst und daraufhin geäußert, dass diese aber schön sei. Hierauf habe Frau D. erwidert: "Danke für das Kompliment! Aber das darf mein Freund nicht erfahren.". Anschließend hätten beide den Frühstücksraum verlassen. Frau D. habe das begonnene Flirten fortgesetzt und immer dann, wenn sie dem Kläger auf der Station begegnet sei, diesen angelächelt und ihm zugezwinkert. Nach Feierabend habe sich der Kläger Gedanken gemacht und ...

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