Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit einer vom Betriebsrat einberufenen Einigungsstelle über einen Sozialplan

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer grundlegenden Änderung einer Organisationsstruktur, die von einem bundesweit tätigen Versicherungsunternehmen durchgeführt wird und die den überwiegenden Teil der Einzelbetriebe, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, betrifft, ist der Gesamtbetriebsrat nicht nur für den Interessenausgleich, sondern auch für den Abschluss eines Sozialplans originär gemäß § 51 Abs. 1 BetrVG zuständig.

 

Normenkette

BetrVG §§ 50, 111-112

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 10.01.2001; Aktenzeichen 9 BV 6/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 10.01.2001, Az. 9 BV 6/00, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1) ist der bei der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) im Betrieb H. gewählte Betriebsrat. In diesem Betrieb werden ca. 70 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Parteien streiten um die Zuständigkeit einer vom Betriebsrat angerufenen Einigungsstelle zur Verhandlung und Entscheidung über einen Sozialplan zur Teilschließung der Bezirksdirektion H. der Arbeitgeberin,

Die Arbeitgeberin betreibt eine bundesweit tätige Versicherungsgesellschaft mit insgesamt ca. 3.375 Beschäftigten. Die bisherige Organisationsstruktur sah eine Unterteilung in eine Hauptverwaltung, vier Vertriebsdirektionen, fünf Vertriebsbezirksdirektionen sowie 31 Bezirksdirektionen im ganzen Bundesgebiet vor. Sie führt derzeit eine grundlegende Änderung ihrer Organisationsstruktur durch mit dem Ziel, in Zukunft die Arbeit wie folgt zu erledigen:

1

Hauptverwaltung

5

Niederlassungen (B., Br …, D., K., M.)

1

Kunden-Service-Center (Call-Center), (N.)

36

Vertriebsbezirksdirektionen an den bisherigen Standorten

4

Vertriebsdirektionen an den bisherigen Standorten.

Aus diesem Grunde werden bei den Bezirksdirektionen die Fachbereiche „Antrag, Leistung und Verwaltung” ausgegliedert und in die fünf Niederlassungen sowie das überörtliche Kunden-Service-Center eingegliedert. Hierbei ergeben sich Teilbetriebsschließungen in 25 Bezirksdirektionen, darunter auch derjenigen in H. Für die Mitarbeiter bieten sich insoweit Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einer der fünf Niederlassungen oder im Kunden-Service-Center an. Soweit Arbeitsplätze in der Bezirksdirektion H. entfallen, erhalten diese Mitarbeiter Angebote für die Niederlassung in Br …

Bei der Arbeitgeberin besteht ein Gesamtbetriebsrat. Dieser hat mit der Arbeitgeberin einen Teilinteressenausgleich vereinbart. Wegen des Inhalts wird auf diesen (Blatt 10 bis 14 d. A.) verwiesen.

Unter dem 04.10.1999 zog der Betriebsrat die ursprünglich erteilte Beauftragung des Gesamtbetriebsrats zur Verhandlung über einen Sozialplan zurück und beansprucht für sich das Recht, selbst über den Sozialplan bezüglich des Betriebes H. mit der Arbeitgeberin zu verhandeln.

Unter dem Datum des 21.12.1999 schlossen der Gesamtbetriebsrat sowie die Arbeitgeberin eine Ergänzung zum Teilinteressenausgleich vom 25.06.1999. Wegen des Inhalts wird auf diese (Blatt 17 bis 22 d. A.) verwiesen. Ebenfalls unter dem Datum des 21.12.1999 vereinbarten sie einen Interessenausgleich und Rahmensozialplan. Hierin ist u. a. Folgendes vereinbart:

„1.2Interessenausgleich

1.2.1 Gegenstand dieser Vereinbarung sind alle bis zum 1.1.2000 dem A. oder dem Gesamtbetriebsrat der V. … AG schriftlich mitgeteilten … Betriebsänderungen samt allen daraus abgeleiteten umgesetzten personellen Maßnahmen. Dazu gehören

Neue Struktur VK, neues Krankensystem (K2), Optimierung Inkassosystem (VGIN), SAP R/3-Fi/Co, Drucksachendistribution, VOSAB-Reengineering, Maschinelle Übermittlung von … Rechnungsdaten im Rahmen der stationären … Krankenhausbehandlung (DfÜ), AMIS.

1.2.2 Zu den in Ziffer 1.2.1 bezeichneten betriebsändernden Projekten und Maßnahmen beinhaltet diese Vereinbarung den Interessenausgleich im Sinne des § 112 Absatz 1 Satz 1 BetrVG. Das heißt, daß nach vorheriger umfassender und rechtzeitiger Beratung mit dem jeweils zuständigen betriebsverfassungsrechtlichen Organ auf der Grundlage dieser Vereinbarung Planungen, Vorhaben und Maßnahmen auch im Hinblick auf personelle Konsequenzen umgesetzt werden können. Der Interessensausgleich zur Neuen VK-Struktur ist Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung.

1.2.3 Sonstige Mitbestimmungsrechte des Gesamtbetriebsrats aber auch der örtlichen Betriebsräte, die sich im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Vereinbarung ergeben können, werden durch den Interessenausgleich nicht eingeschränkt.

1.3Sozialplan und Rahmensozialplan

1.3.1 Diese Vereinbarung enthält zugleich den Sozialplan für die Betriebsänderungen in Ziffer 1.2.1, also Regelungen zum Ausgleich und zur Milderung der sich für die Mitarbeiter aus diesen Maßnahmen im Einzelfall ergebenden wirtschaftlichen Machteile.

1.3.2 Darüber hinaus ist diese Vereinbarung der Rahmensozialplan für alle sonstigen künftigen Betriebsänderungen.

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