Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvereinbarung. normative Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kollektivvereinbarungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz können mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für und gegen die Arbeitnehmer eines Betriebs nur zwischen dem für diesen Betrieb gebildeten Betriebsrat und dem Inhaber dieses Betriebs als Arbeitgeber geschlossen werden.

2. Mehrere Unternehmen bzw. Arbeitgeber eines Konzerns können mit mehreren Betriebsräten, die in Betrieben der Konzernunternehmen gebildet sind, gleichlautende, in einer einheitlichen Urkunde zusammengefasste und von den Vertretern der Jeweiligen beteiligten Betriebsräte unterzeichnete Betriebsvereinbarungen schließen. Diese Betriebsvereinbarungen wirken gem. § 77 Abs.4 Satz 1 BetrVG normativ in den jeweiligen Betrieben, deren Betriebsparteien die Urkunde unterzeichnet haben.

3. Eine solches „Betriebsvereinbarungsbündel” kann auf der Arbeitgeberseite von Organmitgliedern der Konzernobergesellschaft für diese und zugleich in Vollmacht für die Tochtergesellschaften unterzeichnet werden.

4. § 77 BetrVG schließt im Falle des Scheiterns des Zustandekommens einer Betriebsvereinbarung wegen fehlender Vetrtetungsmacht der auf der Arbeitgeberseite handelnden Personen eine Haftung eines dritten Unternehmens gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebs gem. § 179 Abs.1 BGB auf Erfüllung oder Schadenersatz aus. Dies gilt entsprechend für eine Haftung des dritten Unternehmens wegen Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) und aus Rechtsscheinsgrundsätzen.

5. Zur Umdeutung einer Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage.

 

Normenkette

BetrVG §§ 77, 1; BGB §§ 179, 427

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 07.12.2005; Aktenzeichen 6 Ca 8635/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen 1 AZR 824/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts München vom07.12.2005 –6 Ca 8635/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 93.326,24 EUR.

Der Kläger war seit 01.01.2001 bei der „d. GmbH” als Verkaufsreferent zu einer monatlichen Bruttovergütung von 4.000,00 EUR beschäftigt. Die d. GmbH, die bis 1998 im Eigentum eines Unternehmers stand und im Jahr 1992 mit der ehemaligen N. fusionierte, wurde im Dezember 1998 an die P-Gruppe veräußert, die damals zum Medienkonzern von K. gehörte.

Im Zuge der Verschmelzung der P M-AG und der S.-GmbH zur PS-M-AG im November 2000, die zu mehreren Umzügen von Betrieben und Betriebsteilen führte, wurde unter dem 07.12.2000 eine „Betriebsvereinbarung zwischen der PS-M-AG und deren Tochterunternehmen und dem Betriebsräten der PS-M-AG und deren Tochterunternehmen anlässlich der Durchführung der Betriebsänderungen” abgeschlossen. Rubrum, Präambel und § 1 Nr. 1.1 und 1.2 dieser Betriebsvereinbarung lauten:

„Sozialplan

der

PS-M-AG,

und deren Tochtergesellschaften, sämtlich vertreten durch den Vorstand der PS-M-AG

– nachstehend Unternehmen genannt –

und

den Betriebsräten der PS-M-AG und deren Tochtergesellschaften, vertreten durch die Betriebsratsvorsitzenden

– nachstehend Betriebsräte genannt –

Präambel

Die Betriebsparteien erkennen die Gründung der Senderfamilie durch die Verschmelzung der P M-AG mit der S.- GmbH zur PS-M-AG als einen strategisch und wirtschaftlich sinnvollen Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem komplexen und hochkompetitiven Medienmarkt an. Die PS-M- AG will sich noch stärker als bisher als moderner, attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren.

Vor dem Hintergrund schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen den nachfolgenden Sozialplan, der evt. Wirtschaftliche Nachteile betroffener Arbeitnehmer/innen im Rahmen der Restrukturierungen oder durchzuführender Umzüge ausgleicht.

§ 1 Geltungsbereich

1.1. Der Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer/innen des Unternehmens, die während der Laufzeit dieses Sozialplans in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehen und deren Arbeitsplatz im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz)

  • an einen anderen Standort verlagert wird oder
  • deren Arbeitsplatz unmittelbar oder zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt.

Das Gleiche gilt für die Arbeitnehmer/innen, die im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG andere wirtschaftliche Nachteile durch die Verschmelzung des Unternehmens erleiden.

1.2 Der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer/innen der SSF-GmbH, die im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG zur D-GmbH (…) oder deren Tochtergesellschaften wechseln, wird im § 16 geregelt.”

Nach § 2 der Betriebsvereinbarung sollte diese am 07.09.2000 in Kraft treten und bis 31.12.2005 laufen.

§ 6 der Betriebsvereinbarung enthält eine Abfindungsregelung für Arbeitnehmer/innen, die in den § 1 und § 2 des Sozialplans genannten sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich fallen und ihr Arbeitsverhältni...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge