Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertragliche Regelung zur Verrentung eines Versorgungsguthabens. Unbegründete Klage eines Anlageberaters bei unzureichenden Darlegungen zur eigenen wirtschaftlichen Bedürftigkeit im Hinblick auf die arbeitgeberseitige Auszahlungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Arbeitgeberin wahrt nicht billiges Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB, wenn sie sich aus wirtschaftlichen Gründen generell gegen die tariflich vorgesehene Möglichkeit entscheidet, dem einzelnen Arbeitnehmer die Verrentung seines Versorgungsguthabens anzubieten.

2. Es liegen erhebliche wirtschaftliche Gründe zu Gunsten der Arbeitgeberin in Bezug auf die Auszahlungsvarianten in der betrieblichen Altersversorgung vor, wenn die Verrentung des Versorgungsguthabens die Leistung als Einmalkapital um fast 40 % übersteigt.

3. Es obliegt dem Arbeitnehmer, eine etwaige wirtschaftliche Bedürftigkeit zur Berücksichtigung bei der Auszahlungsentscheidung vorzutragen. Etwaiger Immobilienbesitz und Einnahmen aus ihm sind wertmäßig zu beziffern. Das Interesse, seine Witwe durch die betriebliche Altersversorgung versorgt zu sehen, kann durch eine Witwenrente aus der Beamtenversorgung und durch den Immobilienbesitz gemindert sein. Gesundheitliche Gründe, die zum Versorgungsfall geführt haben, können nur dann zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, wenn sie sich weiterhin auswirken. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Anlageberater, der wegen beruflichen Drucks und Stress inkl. Mobbing an einer schweren reaktiven Depression und Angststörung erkrankt ist, Hauptkassierer in einem mit ca. 2.300 Mitgliedern relativ großen Sportverein ist und im Rahmen dieser ehrenamtlichen Tätigkeit erhebliche Einnahmen und Ausgaben einschließlich Bankdarlehen in sechsstelliger Höhe verwaltet.

 

Normenkette

BGB § 315 Abs. 1-2; TV-Altersversorgung PSD-Banken § 2 Abs. 2; TV-Altersversorgung PSD-Banken Beitragsordnung B, Anlage 1

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Entscheidung vom 01.08.2016; Aktenzeichen 10 Ca 2946/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.05.2019; Aktenzeichen 3 AZR 150/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 01.08.2016 - 10 Ca 2946/15 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, das klägerische Versorgungsguthaben zu verrenten.

Der am 00.00.0000 geborene und verheiratete Kläger war zunächst als Beamter der De. Bu. in der damaligen Dienststelle Post- Spar- und Darlehensverein B-Stadt tätig. Unter Beurlaubung aus dem Beamtenverhältnis wurde er ab 01.01.1994 Arbeitnehmer des dann rechtlich selbständigen Post- Spar- und Darlehensvereins B-Stadt und dort als Anlageberater beschäftigt. Nach § 13 des Arbeitsvertrages vom 31.12.1993 galten die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft der Post- Spar- und Darlehensvereine.

Nach dem deshalb auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der C.-Banken sowie des Verbandes des C.-Banken e.V. vom 11.04.1996 in der Fassung vom 15.12.2008 (vgl. Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 19.01.2016, Bl. 33 ff. = Bl. 60 ff. d. A.; im Folgenden BAV-TV) wurde für den Kläger eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet. Gem. § 2 Abs. 2 BAV-TV richtete sich die betriebliche Altersversorgung nach der als Anlage 2 b) beigefügten Beitragsordnung B - Beurlaubte Beamte - i.V.m. den in der Anlage 1 zum BAV-TV regelten "Allgemeinen Bestimmungen zum Versorgungskonto". Dort ist für das Versorgungsguthaben bestimmt:

"3 Einmalkapital, Raten, Verrentung

3.1.1 Der Arbeitgeber kann das Versorgungsguthaben als Einmalkapital oder in Raten auszahlen oder das Versorgungsguthaben ganz oder teilweise, mit oder ohne Hinterbliebenenversorgung, verrenten.

3.1.2 Bei der Entscheidung nach 3.1.1 wird der Arbeitgeber auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Die Verrentung des Versorgungsguthabens ist gegen den Widerspruch des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen nur zulässig, wenn das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist.

3.2 Als Einmalkapital ist das Versorgungsguthaben an dem auf den Versorgungsfall folgenden 15. Januar zur Auszahlung fällig. Die Fälligkeit kann einvernehmlich vorverlegt werden. Das Versorgungsguthaben wird ab dem Versorgungsfall bis zur Fälligkeit um 4,5 % p.a. angehoben.

3.3 Zur Auszahlung in Raten wird das Versorgungsguthaben in gleiche Teilbeträge geteilt. Jeder Teilbetrag wird ab dem Versorgungsfall bis zu seiner Fälligkeit als Rate nach jeweils 12 Monaten um 4,5 % des zuvor erreichten Stands, bei weniger als 12 Monaten zeitanteilig, angehoben. Die erste Rate ist an dem auf den Versorgungsfall folgenden 15. Januar fällig, weitere Raten sind jeweils am 15. Januar der Folgejahre fällig. Die Fälligkeit kann einvernehmlich vorverlegt werden.

3.4.1 Bei der Verrentung wird die Rente,...

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