Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdbestimmte Tätigkeit einer als freie Mitarbeiterin beschäftigten nicht programmgestaltenden Cutterin. Feststellungsklage der Arbeitnehmerin bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zum freies Dienstverhältnis sowie zum Einwand rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung einer abhängigen Beschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Cutterin ist grundsätzlich nicht als programmgestaltender Mitarbeiterin einer Rundfunkanstalt anzusehen. Wenngleich die Tätigkeit eines Cutters auch künstlerische Elemente beinhaltet, wirken diese Personen nur technisch an der Verwirklichung eine Filmes mit.

2. Eine nicht programmgestaltende Cutterin ist - entgegen der vertraglichen Regelung - als Arbeitnehmerin anzusehen, wenn sie in fachlicher Hinsicht den Redakteuren bzw. Autoren gegenüber fachlich und auch in örtlicher Hinsicht wegen der erforderlichen Nutzung des technischen Apparats in den Räumen der Rundfunkanstalt sowie der Mitarbeit im Team weisungsgebunden ist und ihr in zeitlicher Hinsicht zwar eine gewisse Selbstständigkeit dahingehend zukommt, Aufträge auch ablehnen zu können, sie jedoch auf die Aufträge zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen ist und die Rundfunkanstalt von ihr auch erwartet, dass sie für angebotene Aufträge bereitsteht. Letzteres gilt umso mehr, wenn auch angestellten Cuttern das Ablehnen von Aufträgen in bestimmten Fällen möglich ist.

3. Allein aus dem Umstand, dass die Mitarbeiterin über einen längeren Zeitraum (ca. 9 Jahre) die vertraglich festgelegte freie Mitarbeit nicht in Frage gestellt hatte, folgt keine Verwirkung des Anspruchs, ein Arbeitsverhältnis feststellen zu lassen.

 

Normenkette

HGB § 84 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 242, 611 Abs. 1, § 613

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 17.01.2012; Aktenzeichen 39 Ca 8512/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.04.2013; Aktenzeichen 10 AZR 272/12)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18. März 2011 - 39 Ca 8512/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Qualifizierung des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis.

Die Klägerin, geb. am 25. März 1958, schloss 1982 ein Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste in ... mit dem Diplom ab. Nach einem Praktikum war sie beim Sender ... von 1985 bis 1989 als Cutterassistentin, seit 1989 als Cutterin tätig. In der Folgezeit arbeitete sie auch für weitere Sender, u.a. für n-tv und .... Seit 2001 ist die Klägerin als Cutterin beim Beklagten im Bereich Bearbeitung/Editing der Hauptabteilung Produktionsbetrieb Fernsehen beschäftigt. Sie erhielt für ihre Tätigkeit eine Tagesgage für die von ihr erbrachten Leistungen.

Der Umfang der Beschäftigung der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2009 ist unter den Parteien streitig. Im Jahr 2009 war die Klägerin allerdings längere Zeit erkrankt und wegen einer Rehabilitations- und Physiotherapiemaßnahme nicht uneingeschränkt verfügbar.

Der Beklagte entrichtete für diese Zeiten keine Entgeltfortzahlung. Seit 2010 ist die Klägerin wieder als Cutterin für den Beklagten tätig.

Mit ihrer am 7. Juli 2010 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und dem Beklagten am 16. Juli 2010 zugestellten Klage vom 5. Juli 2010 macht die Klägerin das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Umfang von 90 % einer Vollzeitkraft geltend.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, sie sei tatsächlich Arbeitnehmerin des Beklagten.

Sie sei, wie sie vorträgt, 2002 an 186 Tagen, 2003 an 199 Tagen, 2004 an 207 Tagen, 2005 an 57 Tagen, 2006 an 104 Tagen, 2007 an 188 Tagen und 2008 an 231 Tagen tätig gewesen. 2009 sei sie krankheitsbedingt kaum eingesetzt worden, weswegen sich ihr durchschnittliches Einkommen von € .../Jahr auf € 7.777.- im Jahr 2009 verringert habe.

Aus diesen Beschäftigungszeiten - ausgenommen das Jahr 2009, das wegen der langen Erkrankung ihrer Ansicht nach nicht einzubeziehen sei - ergebe sich eine durchschnittliche Beschäftigung ihrer Person als Cutterin von 167,5 Tagen/Jahr. Bei einer mit 220 Tagen/Jahr anzusetzenden Vollzeitbeschäftigung entspreche dies einem prozentualen Anteil von 76%. Abgestellt auf die letzten 3 Jahre entspreche der Anteil gar einem Prozentsatz von 90%.

Sie sei, wie sie vorträgt, wie die fest angestellten Cutter in den Dienstplänen des Beklagten aufgeführt worden und habe ihre Arbeitsleistung zu den vorgegebenen Zeiten erbracht.

Die Dienstpläne habe der/die jeweils zuständige Personaldisponent/-in einseitig vorgegeben. Sie habe von den Arbeitseinsätzen telefonisch oder durch Einsicht in den aushängenden Dienstplan Kenntnis genommen Teilweise sei ihr eine Produktionsmeldung auch ins Fach gelegt worden. Wegen der oft kurzfristigen Arbeitseinteilung sei eine ständige Einsatzbereitschaft von ihr erwartet worden. Im Rahmen ihrer Einsätze habe sie nicht nur Anweisung der Fachvorgesetzten, sondern auch inhaltliche Vorg...

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