Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorzeitige Auszahlung einer vergleichsweise vereinbarten Beendigungsabfindung. Unbegründete Schadensersatzklage des Arbeitnehmers bei vergleichsweiser Fälligkeitsabrede

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung der Parteien in einem gerichtlichen Vergleich, der vergleichsweise vereinbarte Abfindungsbetrag solle in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat ausbezahlt werden, ist als Fälligkeitsvereinbarung anzusehen.

2. Zahlt der Arbeitgeber die Abfindung bereits im Beendigungsmonat, so schuldet er keinen Ersatz steuerlicher Nachteile beim Arbeitnehmer, wenn dieser - wie hier - für die Dauer von 8 Monaten freigestellt worden war, verbunden mit der Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis auch vorzeitig unter Einhaltung einer 14-tägigen Ankündigungsfrist zu beenden, wobei dann der Abfindungsbetrag um den ersparten Lohnbruttobetrag erhöht werden sollte, der Arbeitnehmer aber von der Option keinen Gebrauch macht und daher zum Jahresende (31.12.) ausscheidet. Rechtlich relevante Interessen des Arbeitnehmers werden durch die vorfällige Zahlung nicht berührt, mit der Folge, dass § 271 Abs. 2 BGB unanwendbar wäre, insbesondere wenn nach unstreitiger Einlassung der Arbeitgeberin die Fälligkeitsvereinbarung auf ihren Wunsch zur Vermeidung von Verzugsansprüchen aufgenommen worden war.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823 Abs. 1, § 271 Abs. 2, §§ 133, 157, 280 Abs. 1, § 779

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 16.12.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1147/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2016; Aktenzeichen 8 AZR 757/14)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgericht Rosenheim vom 16. Dez. 2013 - 3 Ca 1147/13 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Ersatz eines Steuerschadens.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Milch verarbeitenden Unternehmen, bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 12. März 2001 als Sachbearbeiter Marketing beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Milchindustrie, für das Molkerei- und Käsegewerbe sowie für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Schmelzkäseindustrie in Bayern vom 15.11.1999 Anwendung, dessen § 22 Nr. 2 eine dreimonatige Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsieht.

Nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 10. März 2011 zum 30. Juni 2011 machte der Kläger neben der dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Rosenheim (4 Ca 332/11) per einstweiliger Verfügung einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend (5 Ga 5/11). Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens schlossen die Parteien nachfolgenden auszugsweise wiedergegebenen Vergleich:

"1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 10.03.2011 mit Ablauf des 31.12.2011 sein Ende finden.

...

3. Der Kläger wird bis zum Beendigungstermin unter Fortzahlung der regelmäßigen Vergütung in Höhe von 3.608,50 € von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Rahmen der Freistellung werden Zeitguthaben des Klägers angerechnet. Der Urlaub wurde dem Kläger in natura gewährt.

4. Während der Freistellung wird das Arbeitsverhältnis des Klägers ordnungsgemäß unter Zugrundelegung einer monatlichen Vergütung von 3.608,50 € abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettobetrag an den Kläger monatlich ausbezahlt.

5. Der Kläger ist berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Eine vorzeitige Beendigung entspricht ausdrücklich dem Interesse und dem Wunsch des Arbeitgebers.

6. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 47.500,00 €. Die Abfindung erhöht sich für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens gemäß vorstehender Ziffer um 3.608,50 €. Anteilige Monate werden anteilig berechnet.

7. Die Abfindung von 47.500,00 € brutto ist sofort entstanden und vererblich. Die gesamte Abfindung wird mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausbezahlt.

...

9. Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle zwischen den Parteien bestehenden finanziellen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob gegenwärtig oder zukünftig, gleich aus welchem Rechtsgrund, endgültig abgegolten und erledigt."

Der Kläger schied zum 31. Dez. 2011 aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten aus. Die Beklagte zahlte die vereinbarte Abfindungssumme von € 57.500.- brutto im Dezember 2011; der Betrag wurde dem Konto des Klägers am 30. Dez. 2011 gutgeschrieben und bei der Einkommenssteuerveranlagung des Klägers für dieses Jahr berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 27. März 2013 (Bl. 41 f. d. A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten den Ersatz eines Steuerschadens geltend, welchen diese mit Schreiben v...

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