Entscheidungsstichwort (Thema)

Standortsicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

„Standortsicherungsvertrag” zwischen der Fa. D. M. G. GmbH, deren Betriebsrat, Konzernbetriebsrat des G. Konzerns und IG Metall (= „Standortsicherungsvertrag”)

1. Obgleich die Berufungskammer dazu neigt, dass die vorgenannte Regelung tarifvertraglichen Charakter hat, kommt es darauf nicht entscheidend an. Deshalb kann auch dahinstehen, ob es sich dabei um einen sog. Firmentarifvertrag handelt und in welchem Verhältnis ein derartiger Firmentarifvertrag zum entsprechenden Manteltarifvertrag steht.

2. Selbst dann, wenn Ziff. 2. des „Standortsicherungsvertrages” nur den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung hätte und dann allerdings durchaus unter Umständen gegen einen Tarifvertrag, hier möglicherweise den „MTV Angestellte”, verstieße und deshalb gem. § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam wäre, würde diese Unwirksamkeit wieder geheilt. Von entscheidender Bedeutung ist nämlich, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, dass nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2002 (1 AZR 267/01 – NZA 2002, 927) auch wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG zunächst unwirksame Betriebsvereinbarungen durch Tarifvertragsparteien nachträglich sanktioniert werden können. Nichts anderes kann gelten, wenn die entsprechenden Tarifvertragsparteien von vorneherein an Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung beteiligt sind, die gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn es sich dabei ersichtlich, was hier der Fall ist, um etwaige Verstöße gegen § 77 Abs. 3 BetrVG handelt. Es ist nämlich kaum anzunehmen, dass sie quasi sehenden Auges derartige Rechtsverstöße hinnehmen wollten. Hier kommt vor allem zum Tragen, was beim „Standortsicherungsvertrag” das eigentliche Ziel war, nämlich den Standort Geretsried der Fa. D. M. G. GmbH zu sichern, wozu als Beitrag gerade auch der von den Arbeitnehmern verlangte Verzicht auf 200 Arbeitsstunden erfasst war.

3. Die Beklagte handelt auch nicht treuwidrig gem. § 242 BGB, wenn sie sich auf Ziff. 2. des „Standortsicherungsvertrages” beruft, obgleich darin eine Reduzierung der Arbeitnehmerzahl der Fa. D. M. G. GmbH bis zum 31. Dezember 2004 auf insgesamt nur 297 geregelt ist, die Zahl jedoch zu diesem Zeitpunkt lediglich noch 256 betrug. Zum einen ist nicht zu verkennen, dass der „Standortsicherungsvertrag” selbst bereits in seiner „Präambel” davon spricht, dass für den Fall des „Nichterreichens der angestrebten wirtschaftlichen Erfolge weitere Maßnahmen unabwendbar sind”, seine Parteien sich also mit den bisherigen Maßnahmen gar nicht begnügen würden. Zum anderen ist die Unterschreitung der vorgesehenen reduzierten Zahl um etwa 40 bei einer vorgegebenen Zahl von 297 nicht so extrem, dass damit das eigentliche Ziel des „Standortsicherungsvertrages” verfehlt ist. Für ein treuwidriges Verhalten liegen daher keine überzeugenden Anhaltspunkte vor.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 17.03.2006; Aktenzeichen 39 Ca 3891/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.04.2008; Aktenzeichen 1 AZR 86/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. März 2006 – Gz.: 39 Ca 3891/05 – geändert wie folgt:

Die Klage wird auch im Übrigen abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung nur noch darüber, ob die Beklagte das Gleitzeitkonto des Klägers dahingehend zu korrigieren hat, dass die im August 2003 abgezogenen 200 Stunden darauf wieder gutzuschreiben sind; im Kern geht es dabei darum, ob die entsprechende Regelung eines „Standortsicherungsvertrages”, der zwischen seiner früheren Arbeitgeberin, der Fa. D. M. G. GmbH (= Rechtsvorgängerin der Beklagten), deren Betriebsrat, dem Konzernbetriebsrat des G. Konzerns und der IG Metall abgeschlossen worden ist, für das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten gilt.

Er ist spätestens seit 15. Dezember 1968 (nach eigenem Sachvortrag allerdings bereits seit 1. März 1960) bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger beschäftigt, am 1. März 1977 in das Angestelltenverhältnis übernommen worden und zuletzt als Prüftechniker bei der Beklagten eingesetzt.

Er ist gewerkschaftlich nicht organisiert, wohl aber sind die Beklagte bzw. seine frühere Arbeitgeberin, die Fa. D. M. G. GmbH, Mitglied im Arbeitgeberverband der Bayerischen Metallindustrie.

Der Vertrag zur „Übernahme in das Angestelltenverhältnis” zwischen dem Kläger und der Fa. D. AG, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, vom 8./14. März 1977 (künftig: „Übernahmevertrag”) enthält u. a. folgende Formulierung (vgl. Bl. 42 d. A.):

„4. Sonstiges

b) Alle übrigen Ansprüche und Pflichten richten sich nach dem Tarifvertrag für Angestellte der bayerischen Metallindustrie und unserer Arbeitsordnung in der jeweils gültigen Fassung.”

In der Zeit seines Arbeitsverhältnisses mit der Fa. D. M. G. GmbH hat diese mit ihrem Betrieb...

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