Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichstellungsbrede. öffentlicher Dienst

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die dynamische Inbezugnahme von Tarifverträgen – hier des öffentlichen Dienstes – in einem vor 1. Jan. 2002 abgeschlossenen Formulararbeitsvertrag ist grundsätzlich als bloße Gleichstellungsabrede anzusehen. Tritt der Arbeitgeber nachfolgend aus dem Arbeitgeberverband aus oder wird er Mitglied des Arbeitgeberverbandes ohne Tarifbindung, so gelten die über die Bezugnahmeklausel zuletzt normativ zur Anwendung gelangten Tarifverträge statisch weiter; an den zeitlich nachfolgenden Tarifentwicklungen nehmen die Arbeitnehmer nicht mehr teil.

2. Eine Regelung in einem zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber abgeschlossenen Vertrag, wonach der Erwerber zusichert, die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer regelten sich nach den Bestimmungen bestimmter Tarifverträge – hier des öffentlichen Dienstes –, stellt keinen Vertrag zugunsten Dritter dar. Darin ist auch keine Regelung mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu erkennen.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 328

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 17.09.2008; Aktenzeichen 38 Ca 17597/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. September 2008 – 38 Ca 17597/07 – abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um tarifliche Einmalzahlungen für die Jahre 2005 bis 2007.

Die Klägerin war mit Arbeitsvertrag vom 1. Mai 1993 (Anlage AG 1, Bl. 46 ff. d. A.) bei der L. … (nachfolgend: L.) ab 1. Mai 1993 mit der Hälfte der Arbeitszeit einer vollschichtigen Kraft im Zentralkrankenhaus G. eingestellt worden. § 3 des Arbeitsvertrages lautet:

㤠3

Für das Arbeitsverhältnis gelten der BAT und die zur Ergänzung sowie Abänderung abgeschlossenen Tarifverträge und sonstigen tariflichen Vereinbarungen, soweit sie durch die Tarifgemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung mit Tarifvertrag vom 14. 07. 1983 übernommen worden sind; ferner gelten ab 05. 05. 1983 durch die TgRV abgeschlossene tarifliche Vereinbarungen.”

Mit Wirkung ab 1. Jan. 1999 übernahm die Beklagte die Trägerschaft des Krankenhauses G.. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging im Wege des Betriebsüberganges auf diese über. Im Rahmen des Betriebsüberganges schlossen die L. und die Beklagte am 29. Juni 1998 einen Personalüberleitungsvertrag (nachfolgend PÜV; Anlage AG 3, Bl. 49 ff. d. A.) in dem u.a. geregelt ist:

„§ 1 Übergang der Arbeitsverhältnisse

(1) Die Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden der Fachklinik M.-G., im folgenden Arbeitnehmer genannt, werden gemäß § 613a BGB von A. übernommen.

(2) A. sichert zu, dass sich alle Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer aus den jeweiligen Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT, Fassung Bund und Länder) des Manteltarifvertrages für Arbeiter/Arbeiterinnen der Mitglieder der TgRV (MTArb-TgRV), des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen und Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, und den sie ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie aus der für die Fachklinik M.-G. abgeschlossenen Dienstvereinbarungen ergeben.

(3) Von Absatz 2 können sich im Hinblick auf § 4 Absatz 2 Abweichungen ergeben. A. verpflichtet sich, etwaige Verringerungen der Vergütungen (Lohn/Gehalt) der Arbeitnehmer im Wege des Bestandsschutzes auszugleichen.

(4) Soweit in den nach § 1 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 2 anzuwendenden tariflichen Vorschriften (z.B. § 65 BAT, § 74 MTArb-TgRV) auf jeweils geltende Bestimmungen des Arbeitgebers verwiesen wird, sind die entsprechenden Bestimmungen des Freistaats Bayern sinngemäß anzuwenden.

§ 4 Zusatzvereinbarungen bei der ZVK

(1) A. verpflichtet sich, die bisher bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für die übernommenen Arbeitnehmer bestehende Zusatzversorgung durch eine Beteiligung bei der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden (ZVK) weiterzuführen.

(2) Zur Erfüllung dieser Verpflichtung hat A. die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Beteiligung bei der ZVK zu schaffen. Dies gilt vor allem für die Mitgliedschaft beim Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV), für das anzuwendende Tarifrecht und für die Einrichtung eines Beirats mit maßgeblichem kommunalen Einfluss im Sinne der § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung des KAV.

§ 15 Laufzeit, weiterer Betriebsübergang

(1) Der Vertrag wird mit dem Übergabestichtag wirksam. Er wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

(2) Im Falle eines weiteren Betriebsüberganges sind die Rechte und Pflichten von A. aus diesem Vertrag auf den neuen Übernehmer zu übertragen mit der Pflicht zur Weiterübertragung.

(3) …”

Vom 1. Jan. 1999 bis 31. Dez. 2004 war die Beklagte Vollmitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e.V. (KAV). Seit dem 1. Jan. 1999 wandte sie gegenüber ihren Mitarbeitern die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes für den Bereich des KAV, also BAT (VKA) ...

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