Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Darlegung der Notwendigkeit eines veränderten Anforderungsprofils, hier im Rahmen einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung sind erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 11.05.2007; Aktenzeichen 39 Ca 12660/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.03.2010; Aktenzeichen 2 AZR 337/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom11.05.2007, Az. 39 Ca 12660/06, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung vom 30.08.2006.

Die am 10.08.1951 geborene Klägerin trat am 06.11.1969 in die Dienste der S. AG ein. 1998 gliederte die S. AG Logistikdienstleistungen aus und übertrug diese auf die neu gegründete Beklagte (damaliger Firmenname: H. GmbH). Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der S. AG ging mit Wirkung vom 01.09.1998 auf die Beklagte über. Die Klägerin schloss hierzu mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag vom 30.06.1998, der in § 1 unter anderem regelt, dass S.-Dienstzeiten angerechnet werden (Arbeitsvertrag vom 30.06.1998, Bl. 4 ff. d.A.).

Zur Übertragung der „Aktivitäten der Logistikdienste in München an allen Standorten” vereinbarte der Gesamtbetriebsrat der S. AG mit der S. AG unter dem 16.06.1998 „Überleitungsregeln” (Bl. 134 ff. d.A.). Nach Ziffer 15 behalten Mitarbeiter, die „aufgrund ihrer Firmenzugehörigkeit (25 Jahre und länger) einen besonderen Kündigungsschutz nach den S.-Richtlinien genießen”, diesen weiterhin. Nach zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte gültigen S.-Richtlinien durfte Mitarbeitern mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit grundsätzlich aus betriebsbedingten Gründen nicht ordentlich gekündigt werden (Bestandsschutzgarantie, vgl. Ziffer 1 der Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 34/93, Bl. 139 d.A.). Verwiesen wurde im Übrigen auch auf die tarifvertraglichen Bestimmungen, z.B. den MTV Bayern, wonach Lohnempfänger und Angestellte mit 55 Lebensjahren und 10 Dienstjahren bzw. 50 Lebensjahren und 15 Dienstjahren nur aus wichtigem Grund gekündigt werden können (vgl. Ziffer 4 der Anlage zum ZP-Rundschreiben Nr. 34/93).

Die Klägerin war bei der Beklagten zuletzt in der Warenannahme gegen eine Vergütung von EUR 1.200,25 netto pro Monat beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.08.2006 sprach die Beklagte der Klägerin „aus betriebsbedingten Gründen” eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist bis 31.08.2007 aus (Bl. 3 d.A.).

Die Klägerin hat bestritten, dass das Bedürfnis für ihre Weiterbeschäftigung entfallen sei. Allein der Umstand, dass die S. AG mitgeteilt habe, dass zu einem noch nicht näher konkretisierten Zeitpunkt die Mitarbeiterzahlen sich bei der S. AG reduzieren würden, führe nicht zwangsläufig zur einem Wegfall der Aufträge bzw. zur Reduzierung des Auftragsvolumens. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, zukünftig nur noch Mitarbeiter mit Führerschein einsetzen zu können, sei dies unsachlich, willkürlich und unvernünftig. In der Warenannahme sei kein Führerschein erforderlich und Fahrer könnten diese Tätigkeiten nicht ohne weiteres übernehmen (zum Vortrag der Klägerin in erster Instanz wird insbesondere auf ihre Schriftsätze vom 15.12.2006, Bl. 43 ff. d.A., und 13.04.2007, Bl. 168 ff. d.A., Bezug genommen).

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.08.2006 nicht aufgelöst wird.
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31.08.2007 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen jedoch am Standort O. fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt sei. Sie erziele ihre Umsätze zu 95 % mit Aufträgen der Fa. S.. Die Mitarbeiterzahl der Fa. S. werde sich durch die Ausgliederung der Sparte „COM” an den Standorten P., H., M. und W. um 42,6 % reduzieren. Mit Schreiben vom 11.08.2006 (vorgelegt als Anlage B3, Bl. 40 f. d.A.) habe die S. AG angekündigt, ab 01.12.2006 die für Logistikdienstleistungen an die Beklagte bezahlte monatliche Pauschale um eben diesen Prozentsatz zu reduzieren. Da Einsparpotentiale erschöpft seien, sei angesichts des drastischen Auftrags- und Umsatzrückgangs um 42,6 % ein Personalabbau unumgänglich. Von insgesamt 40 gewerblichen Mitarbeitern bestehe für die Beschäftigung von mindestens 17 künftig kein Bedarf mehr. Angesichts des geringeren Personalbestandes sei man auch zu dem Entschluss gekommen, dass künftig jeder Mita...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge