Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Übernahmeverpflichtung hinsichtlich des Personals bei Produktionsbetrieben. Zeitpunkt des Übergangs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einem Produktionsbetrieb kann bereits die Verpflichtung, das gesamte Personal zu übernehmen, ein wesentliches Indiz für einen Betriebsübergang darstellen.

2. Ein gleitender Betriebsübergang, bei dem Personal und Auftragsbestände entsprechend der wachsenden Produktionskapazität des Erwerbers übergehen sollen, ist erst dann „perfekt”, wenn sämtliche Aufträge übergegangen sind und der Veräußerer die Arbeitnehmer aus der bislang ihm gegenüber noch bestehenden Verpflichtung zur Arbeitsleistung entlassen hat.

 

Normenkette

BGB § 613a; EWGRL 187/77

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 19.10.1995; Aktenzeichen 32 Ca 4890/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.12.1998; Aktenzeichen 8 AZR 763/97)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19.10.1995 – Az.: 32 Ca 04890/94 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 25.2.1994 und vom 27.3.1994 nicht aufgelöst worden ist.

II. Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung dieser Berufung im übrigen festgestellt, daß zwischen den Parteien erst ab dem 3.8.1994 kein Arbeitsverhältnis mehr besteht.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen zwei von der Beklagten ausgesprochene, mit Stillegung ihrer Druckerei und der dazugehörigen Versandabteilung begründete ordentliche Kündigungen. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien vor allem darüber ob statt einer (Teil)-Betriebsstillegung ein (Teil)-Betriebsübergang vorliegt, wenn ja, wann dieser Betriebsübergang stattgefunden hat und ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den „Erwerber” widersprochen hat.

Die in der Rechtsform einer GmbH & Co KG organisierte Beklagte verlegt die Tageszeitung … Sie betrieb bis zum 3.8.1994 auch eine eigene Druckerei (mit dazugehörigem Versand), in der mit sechs Rotationsmaschinen im Hochdruckverfahren außer der eigenen Tageszeitung auch noch einige regionale Tageszeitungen und Wochen- bzw. Monatszeitungen gedruckt wurden. Verleger der weiteren von der Beklagten teilweise gedruckten Tageszeitungen sind der … und die … Die Gesellschafter der jeweiligen Komplementär-Gesellschaften und der jeweils zugehörigen Kommanditisten-Gesellschaften von ZVO, tz und der Beklagten (MZV) sind identisch. Die Firma … Graphische Betriebe GmbH & Co KG sowie Frau … (welcher nach dem Tod ihrer Schwiegermutter, Frau … im Jahr 1994 deren Beteiligungen an der Beklagten, … übertragen wurden), sind mit insgesamt 51,5 % (26,5 % + 25 %) an der jeweiligen Komplementär-GmbH … und der Beklagten und mit zusammengerechnet 51,393 % (26,403 % + 24,99 %) an deren Kommanditisten-Gesellschaften beteiligt. Weitere – in sämtlichen genannten Gesellschaften identische – Gesellschafter sind mit unterschiedlichen Minderheitsbeteiligungen Herr … die Buchdruckerei und … und die …

Im Verfahren 2 TaBV 93/92 ist mit Beschluß vom 25.10.1996 vom Landesarbeitsgericht München rechtskräftig entschieden worden, daß zwischen diesen drei Unternehmen, die in vielen Bereichen kooperieren, jedenfalls kein Unterordnungskonzern i. S. von § 18 Abs. 1 AktG besteht, für den nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Konzernbetriebsrat errichtet werden kann.

Im Jahr 1990 plante die Beklagte, ihre veralteten Hochdruckmaschinen durch moderne Offsetdruckmaschinen zu ersetzen. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Installation der neuen Maschinen im eigenen … auf erhebliche technische Schwierigkeiten stoßen würde, gab die Beklagte diesen Plan wieder auf. Die „Schwestergesellschaft” hatte zwischenzeitlich von der Stadt. München ein ca. 10 km vom Betrieb der Beklagten entfernt liegendes Grundstück erworben, auf welchem sie in der Folgezeit mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 100 Millionen DM eine Offsetdruckerei errichtete. Für den Betrieb dieser Druckerei wurde am 19.6.1991 eine Betreibergesellschaft, die Druckhaus Dessauerstraße GmbH & Co Betriebs KG … gegründet mit Herrn … als Geschäftsführer. Die Komplementäre der sind (überwiegend) wiederum mit unterschiedlichen Beteiligungen auch an der Beklagten, der und der beteiligt.

Am 8.7.1991 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und der … bezüglich deren Wortlauts im einzelnen auf die Akten (Blatt 251 bis 253) verwiesen wird. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich u. a., in ihrem Betrieb vorrangig Druckaufträge auszuführen, die bislang bei der Beklagten getätigt wurden, und nach einer allein der Beklagten obliegenden zeitlichen Auswahl sukzessive allen bei der Beklagten unbefristet und ungekündigt beschäftigten Druckern und Helfern, deren Arbeitsplatz durch die Abgabe der Aufträge entfallen würde, einen vergleichbaren Arbeitsplatz anzubieten. Beide Parteien dieses Vertrags sicherten sich gegenseitig zu...

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