Entscheidungsstichwort (Thema)

Privatliquidationsrecht eines Chefarztes. Schadensersatz bei unberechtigtem Entzug des Liquidationsrechts. Verdienstausfall aus zu vertretender Unmöglichkeit: Keine Begrenzung auf 6 Wochen bei Arbeitsunfähigkeit

 

Normenkette

BGB § 325 Abs. 1, § 615 S. 1; EFZG § 3 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 21.04.1998; Aktenzeichen 6 a Ca 15368/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.03.2001; Aktenzeichen 8 AZR 536/00)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts München vom 21.4.98 – 6 a Ca 15368/97 – geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 633.527,52 nebst 4% Zinsen aus DM 117.042,27 seit 1.6.1996, aus DM 405.203,12 seit 1.3.1998 und aus DM 111.282,13 seit 1.9.1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist im Berufungsverfahren streitig, ob die Klägerin von der Beklagten eine Entschädigung von DM 633.527,52 für entgangenen Nebenverdienst in der Zeit vom 1.10.1995 bis 31.12.1997 beanspruchen kann.

Die am 5.6.1943 geborene Klägerin ist seit 1981 als Ärztin bei der Beklagten, die einen Blutspendedienst betreibt und daraus gewonnene Blutkonserven an Krankenhäuser vertreibt, beschäftigt. Seit 1.10.1987 leitet die Klägerin als Chefärztin das Institut des Beklagten in … In dem schriftlichen Dienstvertrag vom 11.12.1987 (Bl. 10/13 d. A.) war eine Vergütung nach Vergütungsgruppe I a BAT vereinbart. In Ziffer VII des Dienstvertrages ist unter 2. geregelt, dass der Klägerin gestattet ist, gegen eigene Rechnung ärztliche Nebentätigkeit auszuüben. Dazu ist unter Ziffer 2.1 näher bestimmt, dass ärztliche Nebentätigkeit, die in direkter Verbindung mit Blutkonserven und Blutderivaten durchgeführt wird, sowie die Kassenabrechnung für die vorgenannte Nebentätigkeit, grundsätzlich im jeweiligen Institut abgewickelt werden müsse. Für die Benutzung von Räumen, Personal, Material und/oder Geräten sind an die Beklagte 22% (seit 1.4.1990 erhöht auf 30%) der Bruttoeinnahmen monatlich abzuführen. Für die Erledigung von Schreibarbeiten hatte die Klägerin auf eigene Kosten zu sorgen.

Die genannte Nebentätigkeit wird von den Parteien als Auswertung von „Kreuzproben”, die Labortätigkeit als „Kreuzlabor” bezeichnet. Es handelt sich um ein immunologisch-hämatologisches Speziallabor, in welchem Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden, zu denen die anfordernden Krankenhäuser mit ihren hauseigenen Labors nicht in der Lage sind. Insoweit hat die Beklagte eine Art Monopolstellung zur Bereitstellung passender Transfusionen für spezielle Fälle. Unstreitig war es weder rechtlich noch tatsächlich erforderlich, dass die Klägerin ständig und höchstpersönlich die Untersuchungen und das Ablesen der Ergebnisse der Laborauswertungen durchführen musste. Sie war nach den gesetzlichen Bestimmungen und den Regelungen des Arzneimittelrechts nur zu entsprechender Organisation und Kontrolle verpflichtet. Ist eine konkrete Arbeitsweise und eine zutreffende Auswahl des Personals im „Kreuzlabor” gewährleistet, dann hat der Laborleiter nur noch der Überwachungs- und Kontrollpflicht zu genügen. Die Werte selbst werden von den medizinisch-technischen Assistenten/Assistentinnen abgelesen; diese wiederum werden von den beteiligten Assistenzärzten überprüft. Während des Urlaubs oder sonstiger Verhinderungen der Chefärzte läuft das „Kreuzlabor” weiter, wobei der jeweilige Chefarzt die anfallenden Leistungen mit den Krankenhäusern und Kliniken, die als Auftraggeber für die Untersuchungen in Frage kommen, privat abrechnet und daraus lediglich 30% an die Beklagte abzuführen hat.

Nachdem die zuständige staatliche Aufsichtsbehörde, …, mit Schreiben vom 8.8.94 und dann nochmals mit Schreiben vom 11.9.1995 in Bezug auf das Institut in … eine Mängelliste übermittelt hatte, entband die Beklagte mit Schreiben vom 21.9.1995 (Bl. 14/15 d. A.) die Klägerin, die seit 20.7.1995 arbeitsunfähig krank war, von der Leitung des Instituts in … und erteilte ihr ein Hausverbot. Mit Schreiben vom 25.9.1995 (Bl. 16/17 d. A.) sprach die Beklagte unter Hinweis auf das Schreiben … vom 11.9.1995 eine ausserordentliche Änderungskündigung aus, verbunden mit dem Angebot an die Klägerin, nunmehr als Oberärztin in dem Institut in … unter Beibehaltung der bisherigen Vergütung, aber unter Wegfall der Nebentätigkeitsgenehmigung, tätig zu werden. Die Klägerin lehnte dieses Änderungsangebot ab.

Mit Schreiben vom 17.10.1995 (Bl. 18/19 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis höchst vorsorglich ordentlich zum 30.6.1996, erneut verbunden mit dem Angebot, künftig als Oberärztin im Institut in … tätig zu werden. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin mit Schreiben vom 6.11.1995 unter dem Vorbehalt an, dass die Kündigung nicht sozialwidrig oder aus anderen Gründen unwirksam sei.

Das von der Klägerin angerufene Arbeitsgericht München stellte durch Endurteil vom 11.4.1996 (3...

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