Entscheidungsstichwort (Thema)

Gratifikation. Freiwilligkeitsvorbehalt. Betriebliche Übung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Arbeitgeber mehr als 3 Jahre lang mit dem Novembergehalt ein volles Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation gezahlt und geht er dann dazu über, bei einer weiteren Zahlung schriftlich allen Arbeitnehmern zu erklären, daß er die Weihnachtsgratifikation als freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung gewähre, auf die auch zukünftig kein Rechtsanspruch bestehe, und gibt er diese Erklärung fortlaufend jedes Jahr ab, so wird die ursprüngliche betriebliche Übung abgeändert und der Freiwilligkeitsvorbehalt Vertragsinhalt, wenn der Arbeitnehmer die Zahlung entgegennimmt, ohne der Neuregelung zu widersprechen.

2. Aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts kann der Arbeitgeber die Weihgratifikation kürzen.

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Urteil vom 31.10.1994; Aktenzeichen 5 Ca 1579/94 N)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Regensburg vom 31.10.1994 – 5 Ca 1579/94 N – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger für das Jahr 1993 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehaltes zusteht, oder lediglich, wie die Beklagte meint, in Höhe von 70 % eines Bruttomonatseinkommens.

Der Kläger ist seit 1961 bei der Beklagten im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Er ist seit einiger Zeit Betriebsratsvorsitzender. Nach dem Tarifvertrag vom 21.10.1980 zur Regelung betrieblicher Sonderzahlungen für Arbeitnehmer der Säge- und Holzbearbeitungsindustrie etc. in Bayern (TR 17/18 – 100 ab 37), der kraft beiderseitiger Tarifbindung für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt, hat der Kläger Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 70 % eines Bruttomonatseinkommens. Diesen Betrag hat der Kläger 1993 erhalten.

Mit seiner Klage fordert er jedoch die Differenz zu einem vollen Bruttomonatsgehalt in der unstreitigen Höhe von DM 1.505,10 brutto mit der Begründung, er habe auf diesen zusätzlichen Betrag Anspruch auf Grund einer betrieblichen Übung, die Inhalt seines Arbeitsvertrages geworden sei.

Die Beklagte zahlte dem Kläger, wie auch den anderen Angestellten ihres Betriebes, seit 1961 eine „Weihnachtsgratifikation” in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes jährlich mit dem Novembergehalt aus. Schriftliche Erklärungen zu dieser Zahlung erfolgten zunächst nicht.

Erstmals im Jahre 1978 wurde von der Beklagten eine Bekanntmachung im Betrieb vom 7.11.1978 ausgehängt mit der Überschrift „Weihnachtsgratifikation (Sonderzahlung)”. Diese enthält u. a. folgende Regelung:

Angestellte erhalten als freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die – auch zukünftig – kein Rechtsanspruch besteht, zusätzlich die Differenz auf ein Monatsgehalt.

Ein entsprechender Aushang mit entsprechenden Erklärungen erfolgte in den folgenden Jahren jeweils im November. Erstmals mit einer Bekanntmachung vom 25.11.1993 teilte die Beklagte der Belegschaft mit, daß gewerbliche Mitarbeiter und Tarifangestellte mit einer Betriebszugehörigkeit über 36 Monaten lediglich 70 % eines Bruttomonatsverdienstes als Weihnachtsgratifikation erhielten. Auch außertariflichen Angestellten wurde nur eine Sonderzahlung von 70 % ihres Bruttomonatsverdienstes zugesagt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß er auf Grund der vorbehaltlosen Zahlung eines vollen Monatsgehaltes als Weihnachtsgratifikation in den Jahren 1961 bis 1977 auf Grund betrieblicher Übung einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf ein volles Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation erworben habe. Diesen vertraglichen Anspruch habe die Beklagte durch ihre seit 1978 erklärten Freiwilligkeitsvorbehalte einseitig nicht wieder beseitigen können. Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, daß die bis 1977 begründete Regelung über die Weihnachtsgratifikation ab 1978 durch die widerspruchslose Hinnahme der Erklärungen durch den Kläger abgeändert worden sei und die Leistung nur noch als freiwillige Leistung geschuldet werde, soweit keine tarifliche Absicherung bestehe. Die Beklagte habe deshalb 1993 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage nur noch 70 % eines Monatsgehaltes als Gratifikation auszahlen dürfen.

Das vom Kläger angerufene Arbeitsgericht Regensburg hat mit Endurteil vom 31.10.1994 die Klage auf Zahlung von DM 1.505,10 brutto kostenpflichtig abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, daß durch die mehrmalige widerspruchslose Entgegennahme der Gratifikationszahlung durch den Kläger seit 1978 sich die ursprüngliche auf Grund betrieblicher Übung entstandene vertragliche Regelung geändert habe und deshalb der Kläger keinen Anspruch auf den Differenzbetrag habe. Jedenfalls habe er das Recht verwirkt, den Differenzbetrag zum vollen Monatsgehalt zu fordern, da er seit 1978 dem Freiwilligkeitsvorbehalt der Beklagten zu keinem Zeitpunkt widersprochen habe.

Gegen das ihm am 17.11.1994 zugestellte Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe...

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