Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung. Verwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Recht zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung kann nicht nur dadurch verwirken, dass außerhalb des Geltungsbereichs von § 4 Satz 1 KSchG der Arbeitnehmer mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage zu lange abwartet, sondern auch dadurch, dass er innerhalb des Geltungsbereichs von § 4 Satz 1 KSchG nach rechtzeitig erhobener Klage den Kündigungsschutzprozess über einen längeren Zeitraum (im Streitfall: drei Jahre) nicht betreibt.

 

Normenkette

KSchG § 4; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 18.09.2008; Aktenzeichen 23 Ca 6803/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen 2 AZR 323/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 18.09.2008 – Az. 23 Ca 6803/06 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 25.02.2003, Weiterbeschäftigung sowie die Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte.

Der am 0.0.1958 geborene Kläger war bei der Beklagten, damals firmierend unter AG. GmbH und zum Al.-Konzern gehörend, seit 01.04.2000 gegen ein Jahresgehalt von zuletzt ca. EUR 0.– brutto beschäftigt. Zu seiner Tätigkeit heißt es in § 2 des Arbeitsvertrages vom 29.11.2000:

  1. „Herr Vieltorf wird in einem außertariflichen Anstellungsverhältnis als Leiter Rechnungswesen in M. vollbeschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.
  2. Aufgaben, organisatorische Zuordnung und Verantwortlichkeiten werden im Einzelnen durch die AG. GmbH bestimmt. Die Gesellschaft behält sich vor, den Arbeitnehmer innerhalb der Gesellschaft und vorübergehend in Gesellschaften, die mit der AG. GmbH wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden sind, auch an einem anderen Ort einzusetzen oder ihm eine andere oder zusätzliche Tätigkeit zu übertragen, die seiner Eignung und seinen Fähigkeiten entspricht.
  3. Der Arbeitnehmer erklärt sich deshalb hiermit bereit, auf Wunsch der Gesellschaft in dieser Zeit auch eine andere Tätigkeit, ggf. auch unter Veränderung des Arbeitsortes, zu übernehmen.”

In einer E-Mail des Klägers vom 11.04.2002, die er nach seinem Vortrag auf Wunsch seines damaligen Vorgesetzten verfasste, heißt es unter dem Betreff „in eigener Sache”:

„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

heute möchte ich mich an Sie wenden, um über einige personelle und strukturelle Veränderungen im Controlling und Rechnungswesen zu berichten.

Zunächst freue ich mich, Frau S. und Frau L. begrüßen zu können. Sowohl Frau S. als auch Frau L. bringen bereits umfangreiche Kenntnisse aus dem Rechnungswesen mit und werden als weitere Referentinnen in dem Bereich Bilanzen (Frau S.) und Finanzen/Debitoren (Frau L.) eine wesentliche Entlastung für unser Rechnungswesen bringen. Ich wünsche Frau S. und Frau L. viel Spaß und Erfolg.

Für mich wird nach fast zweieinhalb Jahren AG. GmbH Mitte des Jahres der Zeitpunkt meines Austritts aus der AG. GmbH kommen, um plangemäß in die Al. Hauptverwaltung zurückzukehren.

Das bedeutet, jetzt bereits die Weichen dafür zu stellen. Ab dem 01.05. wird Herr Ka. das Controlling führen. Dazu wünsche ich ihm viel Erfolg und Freude.

Als Nachfolger im Bereich Rechnungswesen/Finanzen wurde Herr E. bestellt. Herr E. tritt zum 01.05. in die AG. GmbH ein und wird sich, solange ich noch da bin, in sein zukünftiges Aufgabenfeld einarbeiten. Viel Erfolg und Freude wünsche ich ihm für seine neue Aufgabe.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, noch bin ich zwar eine ganze Weile mit an Bord, danke Ihnen aber bereits heute für die gute Zusammenarbeit und verbleibe mit herzlichen Grüßen Ihr V.”

Ab Anfang August 2002 war der Kläger freigestellt und begründete zum 01.01.2003 ein anderweitiges Arbeitsverhältnis, das bis zum 30.06.2008 bestand.

Mit Schreiben vom 28.11.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2002. Dagegen erhob der Kläger am 19.12.2002 Kündigungsschutzklage und – für den Fall des Obsiegens – Klage auf Weiterbeschäftigung zum Arbeitsgericht München, das nach Eingang der Klage Termin zur Güteverhandlung bestimmte auf den 11.03.2003, 15.30 Uhr.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.01.2003 wandte sich die Beklagte an die Prozessbevollmächtigten des Klägers wie folgt:

„Sehr geehrte Herren Kollegen,

im Auftrag der Beklagten Firma AG. GmbH teilen wir Ihnen mit, dass die Kündigung zum 28.11.2002 verbindlich für gegenstandslos erklärt wird und dass wir keinerlei Rechtsfolgen daraus ableiten.

Herr V. wird aufgefordert, am Montag, 27. Januar 2003 um 09.00 Uhr persönlich bei Herrn R. zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen.”

Darauf antworteten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 24.01.2003:

„Sehr geehrte Herr Kollege Dr. Ko.,

Wir dürfen Sie diesbezüglich zunächst um Vorlage einer Vollmachtsurkunde bitten. Ein...

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